Ich brauche ein schnelleres Auto....

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Patrizia
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Ich brauche ein schnelleres Auto....

Beitrag von Patrizia »

....hat mein Frauenarzt zu uns gesagt als er das Geburtszimmer betreten hat, 10 Minuten nach der Geburt unserer zweiten Tochter Julia Fabienne.

Die Schwangerschaft

Wir freuten uns unheimlich, als sich unser zweites Mädchen mit einem positiven Schwangerschaftstest ankündigte. Die Schwangerschaft verlief problem- und komplikationslos. Unser kleines Mädchen drehte sich im November mit dem Kopf nach unten und kam direkt auf dem Gebärmutterhals zu liegen. Zunehmend schmerzte mich das Steissbein und Kreuzbein, und wir hofften auf eine baldige Geburt. Alles sah gut aus, und sogar mein Frauenarzt schwor jeden Eid, dass dieses Kind vor dem errechneten Termin auf die Welt kommen würde. Nun, es kam wieder mal alles ganz anders.

Ewiges Warten


Die Tage und Wochen vergehen, doch Wehen sind keine in Sicht; der Geburtstermin kommt und geht... Ich bin so unglücklich dass die Wehen nicht kommen. Mit jedem Tag der verstreicht wächst meine Ungeduld. Die Schwangerschaft ist mit einer Anderthalbjährigen und den ewigen Kreuz-, Steiss- und Schambeinschmerzen schon sehr beschwerlich. Ich will einfach nicht länger schwanger sein, dieses Kind soll einfach irgendwie raus. Fünf Tage nach ET entscheiden wir, dass auch diese Geburt eingeleitet werden soll. Also werde ich im Spital zum Einleiten vorgemerkt, 6 Tage nach ET sollte das Ganze über die Bühne gehen. Ich bin zwar unglücklich dass die Geburt wieder „geplant“ abläuft, bin aber dankbar dass das Ende der Schwangerschaft endlich in Sicht ist.

Am 6. Tag nach ET bringen wir unsere Tochter zu den Grosseltern, gehen am Abend noch an die Fasnacht und telefonieren um 22 Uhr hoffnungsvoll ins Spital. Es muss der absolute Baby-boom herrschen, denn wir werden auf den nächsten Morgen vertröstet. Ich kann kaum beschreiben was in diesem Moment in mir vorgegangen ist. Eine Welt bricht in mir zusammen. Mit letzter Kraft habe ich mich bis an diesen Punkt der Schwangerschaft geschleppt, und nun soll ich mich weiter gedulden. Minutenlang flehe ich die Hebamme an und kann vor lauter Schock kaum sprechen. Wie gelähmt gebe ich schlussendlich auf und versuche die Tatsache zu akzeptieren, dass wir noch eine weitere Nacht daheim verbringen werden. Die Tränen schiessen mir in die Augen, ich habe einfach keine Kraft mehr für diese Schwangerschaft. Wir gehen also wieder heim, und mein Mann steckt mich in ein heisses Rosmarin-Bad. In dieser Nacht finde ich keinen Schlaf. Irgendwann mitten in der Nacht stehe ich auf, schalte den PC ein und schreibe all meinen Frust ins Forum.
Nach einer durchheulten Nacht telefoniere ich am Morgen wieder mit dem Spital. Die Frauen haben immer noch nicht geboren und wir können immer noch nicht kommen. Wieder kann ich nur heulen und kann es kaum fassen dass wir noch daheim sind. In einer Decke eingewickelt versuche ich mich mit fernsehen abzulenken. Ich habe keine Lust irgendwas anderes zu machen und igle mich daheim ein. Am Nachmittag telefoniere ich wieder mit dem Spital und werde ein drittes mal abgewimmelt. Das Baby hat sich schon seit dem Vorabend nicht mehr gemeldet und lässt sich nur schwer wecken. Als die Hebamme das hört, verspricht sie uns, dass wir am Abend wenigstens eine Kontrolle mit CTG machen können. Wir sind wild entschlossen auf diese Kontrolle zu beharren und den Spital dann nicht mehr ohne Baby im Arm zu verlassen. Ich mag nicht kochen, also beschliessen wir Pizza essen zu gehen. Zuvor telefonieren wir ein viertes mal mit dem Spital. Endlich kommt die erlösende Antwort, dass wir später am Abend zur Kontrolle kommen können.

Die Geburt

Wir kommen gegen zehn Uhr abends im Spital an und werden in einen kleinen Raum gebeten. Ich bin erleichtert endlich im Spital zu sein, den Spitalkoffer haben wir dabei. Das CTG wird gemacht, und natürlich habe ich auch 7 Tage nach ET nicht die kleinste Wehe.... Wir müssen wieder warten. Irgendwann kommt eine Hebamme und überbringt die freudige Nachricht dass wir bleiben können. Das Untersuchungszimmer wird noch hergerichtet, dann dürfen wir es beziehen. Es ist schon viel Zeit verstrichen, inzwischen ist es weit nach 1 Uhr nachts. Mein Mann überlegt ob er heim gehen soll oder ob er ein Bett verlangen soll. Da er mit mir ins Familienwochenbett kommen will, bekommt er auch ein Bett ins Untersuchungszimmer. Das CTG wird wieder angehängt, und nach 30 Minuten kommt die Hebamme das Tablettli einlegen. Das CTG läuft noch etwas weiter und wird dann abgehängt. Das Licht wird gelöscht und wir dürfen schlafen.

Da ich schon lange nicht mehr geschlafen habe, bin ich todmüde und schlafe relativ zügig ein. Gegen vier Uhr wache ich auf und nehme ein leichtes Ziehen im Bauch war, schlafe aber gleich wieder ein. Es ist beinahe halb sechs als ich wieder aufwache. Ich habe regelmässige Wehen, endlich.. Ich läute der Hebamme, mein Mann schläft noch. Die Hebamme hängt mir das CTG wieder an. Die Wehen werden rasch stärker und kommen in kurzen Abständen. Mein Mann wacht auf und kleidet sich an. Die Untersuchung zeigt, dass der Muttermund bereits 3 cm offen ist. Gemeinsam mit meinem Mann veratme ich eine Wehe nach der anderen. Eine Wehe folgt der nächsten, und jede weitere ist schmerzhafter. Die Hebamme untersucht gegen sieben Uhr wieder den MuMu, der inzwischen 6 cm offen ist. Das Geburtszimmer ist in aller Eile gereinigt worden und um sieben Uhr dürfen wir es beziehen. Es ist ein schönes helles Zimmer mit einer grossen Geburtswanne. Ich freue mich, vielleicht klappt es ja diesmal mit meiner Wunsch-Wassergeburt. Das Wasser wird eingelassen und ich steige in das herrlich entspannende Bad. Die Wehenpausen sind zwar kurz, doch ich versuche so viel Kraft zu schöpfen wie nur möglich. Die Wehen sind hammerheftig und ich kann sie nun nicht mehr veratmen. Ich kann nur noch den Schmerz aus mir herausbrüllen, mit aller Kraft. Die Schmerzen sind unbeschreiblich heftig, ich habe das Gefühl es zerreisst mich. Mit der rechten Hand klammere ich mich an der Badewanne fest, mit der linken Hand zerquetsche ich die Hand von meinem Mann und brülle so laut ich nur irgendwie kann. (noch Tage nach der Geburt hab ich Muskelkater in den Armen und habe Halsweh vom Schreien...)

Die Hebamme versucht mit mir zu atmen um mir den Schmerz zu erleichtern. Es geht nicht und ich jammere... nein, nein, nein,.... Also bietet mir die Hebamme ein Schmerzmedikament an. Ich lehne ab und möchte gerne die PDA haben. Sie zweifelt ob das noch reicht, inzwischen ist der MuMu vollständig eröffnet, nur bekomm ich das nicht mehr mit, verspricht aber sie umgehend zu bestellen; es ist 07:25 Uhr. Da ich die PDA haben möchte, muss ich aus der Wanne steigen und aufs Bett wechseln. Die Hebamme und mein Mann helfen mir aus der Wanne. Auf halbem Weg zum Bett merke ich, wie das Kind in mir nach unten rutscht. Einen Moment lang verunsichert mich das und ich bleibe stehen. Die Hebamme kreischt mir ins Ohr: nein nicht stehen bleiben, weiter laufen. Also geh ich weiter und hieve mich aufs Bett. Mein Mann hat mir später erzählt dass die Fruchtblase gerade in dem Moment geplatzt ist wo ich auf dem Bett angekommen bin. Ich erinnere mich bis heute nicht daran. Die Schmerzen sind unbeschreiblich heftig. Der Druck unten ist wahnsinnig.... ich weiss nicht warum, aber ich muss einfach pressen. Im selben Moment erschrecke ich und höre auf mit pressen. Schliesslich hat die Hebamme noch nichts von pressen gesagt. Sie feuert mich an und kreischt mir ins Ohr: ja weiter machen. Das ist für mich der Startschuss und ich drücke mit aller Gewalt. Einmal Luft holen und weiter drücken. Kaum komme ich so richtig in fahrt höre ich die Hebamme: aufhören, das Baby kommt jetzt. Ich spüre wie das Baby aus mir herausgleitet. Meine kleine Julia Fabienne kommt am 2. März 2006 um 07:33 Uhr mit 3720 g und ca 47 cm auf die Welt, gerade mal 2 Stunden nachdem ich die erste richtige Wehe verspürt habe, und ohne Arzt. Die Stationsärztin kommt kurz darauf hinzu und überwacht noch die Geburt der Plazenta. Mein Frauenarzt, der um 07:30 Uhr dazu gerufen wurde, trifft gegen 07:45 Uhr ein und betritt das Geburtszimmer mit den Worten: ich brauche dringend ein schnelleres Auto, oder einen Helikopter.

Nach der Geburt

Nachdem die Plazenta geboren ist, fängt es an aus der Gebärmutter zu bluten wie ein Wasserfall. Das Blut schiesst nur so aus mir heraus. Es wird ein Medikament in die Infusion gegeben, das bewirkt dass sich die Gebärmutter rascher zusammenzieht. Mein Frauenarzt kämpft gegen die Blutung, drückt immer wieder auf den Bauch um das Blut aus der GM herauszupressen, was natürlich wieder heftige Schmerzen verursacht. Schlussendlich kann die Blutung gestoppt werden, und er näht den Dammriss und den Scheidenriss zusammen. Wir bekommen ein Frühstück, fein duftender Kaffee und Gipfeli. Lecker...Ich hab richtig Lust auf einen Bissen Gipfeli und stelle das Kopfteil des Bettes hoch. Kaum hab ich das Gipfeli in der Hand wird mir schwindelig und übel. Der Kreislauf macht schlapp... also muss das Kopfteil wieder runter und der Blutdruck wird alle paar Minuten gemessen. Allmählich erhole ich mich. Bis weit in den Nachmittag hinein muss ich ganz flach liegen bleiben, sonst wird mir gleich wieder schwindlig.

Es beginnt nun eine turbulente Zeit im Wochenbett und wir sollten noch lange nicht zur Ruhe kommen. Meinen ganz persönlichen Albtraum rund ums Stillen kann man hier nachlesen:
http://www.unserbaby.ch/sarah-alexandra ... 47864.html

Wir sind unheimlich dankbar dass uns zwei gesunde Töchter geschenkt wurden. All die Strapazen sind vergessen wenn ich meine beiden Kinder betrachte. Jederzeit würde ich all das wieder auf mich nehmen, denn sie sind es allemal wert.
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möndli :o)

Beitrag von möndli :o) »

@olipa: süessi Föteli! :wink:

@patrizia: han grad dini Brichte gläse.... ha grad es paar Träneli müesse verdrücke. mit dere Brustentzündig hesch würklech eine mitgmacht. nach all däm Theater verstoh n'ech, dass Zyt zum verarbeite bruchsch. isch jo würklech der Hammer, was do glaufe isch... wünsche dir emu witerhin viel Chraft und Zueversicht. und das erste lächle vo dr Julia het dich sicher scho für einiges entschädigt! :wink:

°° JiL °°

Beitrag von °° JiL °° »

Patrizia
das hast du so toll geschrieben, mir liefen die Tränen grad runter und habe die Geburt mit Dir erlebt.
Ich wünsche euch weiterhin alles gute.

Dornröschen

Beitrag von Dornröschen »

Also der Anfang der Stillzeit war bei mir nicht ganz so schlimm. Aber ganz ähnlich..

kylea

Beitrag von kylea »

Patrizia
Hast Du wirklich ganz schön geschrieben den Geburtsbericht...Wünsch Euch alles erdenklich Gute für die Zukunft!!!

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Patrizia
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Beitrag von Patrizia »

@all: danke euch vielmals für die lieben Wünsche.

@chaeferli: tut mir sehr leid, dass du auch so leiden musstest fürs Stillen.
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ashu
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Beitrag von ashu »

ui da hast du ganz schön etwas erlebt mit dem stillen. schrecklich, wie man manchmal behandelt wird im spital. habe leider auch keinen guten stillstart gehabt, aber inzwischen klappt es gut.
das mit dem blutabzapfen kenne ich, meine arme waren nach dem spitalaufenthalt auch ganz blau und blutunterlaufen von unzähligen einstichen (glaub pro arm so gegen die zehn).
trotzdem hast du zwei supersüsse töchter und mit deinem bericht bist du einer verarbeitung des geschehens schon ein stück näher.

es liebs griesli
ashu
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Shirley
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Beitrag von Shirley »

@Patrizia: was söll ich gross säga... im Moment findi nid dia richtiga Wort, drfür Träna in da Auga... Aber mit dem kann ich diar nid helfa.. miar händ jo schu mehr über üsri Geburta gredet. I hoffa für eu 4, dass iar das guat verschaffa könnt und drückla di ganz fest!! Patrizia i bewundera di, den du bisch a richtiges Stehuffrauchen, au wenn's vilicht manchmol selber vergissisch!!

Dicka Knuddel!!
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