Auch das selber erarbeiten finde ich sehr gut, mache damit bei guten Schülern extrem gute Erfahrungen. Ich arbeite sehr viel so, man kann das auch angeleitet machen. Die Kinder sind extrem gut, weil sie lernen zu denken, Fragen zu stellen, zu beobachten und zu überlegen, wie etwas geht.
Aber, es gibt Kinder, die können das nicht. Schwächere Sekschüler und Realschüler sind nicht in der Lage selber heraus zu finden, wie etwas geht. Auch bleibt es ihnen weniger lange, oft können sie es nach einiger Zeit nicht mehr abrufen. Und sie brauchen sehr viel Zeit für kleinere Schritte.
Die Frage ist dann, kann ich differenzieren und weniger machen, dafür sitzt es dann? Könnte ich sicher, aber da stehen mir dann Eltern im Weg. Die Forderung nach genug Förderung, Training und Hilfe steht dann im Raum. Obwohl man weiss, dass das nicht wirklich etwas bringt, es gab schon früher mit Frontalunterricht und viel mehr Training Realschüler und auch damals ging nur eine Minderheit ins Gymi. Heute gehen mehr Schüler in die Gymnasiale Stufe, wir haben mehr Maturaabsolventen, als zu meiner Zeit.
Es ist aber schwierig geworden. Eltern verstehen die neue Formen nicht, oft fehlt auch das Vertrauen, dass Kinder schon das leisten, was sie können. Andererseits ist aber auch die Frustrationstoleranz der Kinder und der Eltern sehr klein geworden. Wenns nicht gerade klappt, dann liegts am Lehrer, am Lehrmittel, war die Prüfung zu schwierig, der Stoff nicht gut vermittelt, was weiss ich.
Aber, ich merke auch, dass wir uns zu viel diktieren lassen. Lehrmittel sind nicht die Lehrpläne, es gibt nach wie vor die Methodenfreiheit, auch wenn gewisse Stellen das anders sehen wollen und was die Hochschulen sagen ist nicht sakrosankt. Ich höre immer wieder, die haben das in der Ausbildung gesagt. Niemand kann von mir verlangen, dass ich auf jeden Zug aufspringe und mich von bewährtem verabschiede. Das ist mal das Eine. Auch sind zwar Richtwerte für die einzelnen Unités vorhanden, aber letztlich muss ich die Lernziele erreichen. Und zwar Kompetenzmässig, nicht einfach Voci auswendig lernen, sondern Voci kennen und damit Sätze bauen können. Nun kann ich sagen, das kommt mit der Zeit, dank Immersionslernen, was immer propagiert wird. Nur, es beachtet niemand, dass in zwei Lektionen pro Woche Immersionslernen nicht greift. EIn Sprachgefühl kann sich entwickeln, wenn man täglich mit der Sprache konfrontiert ist, wenn man einfach sehr sprachbegabt ist oder aber auch durch den sauberen Aufbau von Sprachstrukturen und das nachdenken darüber, wie Sprache aufgebaut wird. Da können auch verpönte Übersetzungen sehr hilfreich sein, damit der Satzbau verstanden wird. Meine Schüler mögen die ganz gerne, weil es Sicherheit gibt.
Und da setze ich mich halt über das Lehrmittel hinweg und ergänze, so wie ich das für richtig halte. Ich muss nur das Lernziel im Auge haben, nicht irgendwelche Zeitvorgaben. Auch muss ich doch überlegen, welche Schritte nacheinander wichtig sind, damit dann das Zeil erreicht wird. Ich kann zwei Lektionen von Anfang an mit dem komplexen Inhalt füllen, oder ich kann es aufbauend anbieten. Auch kann ich verschiedene Themen verknüpfen. Briefe schreiben mit der Vergangenheitsform zum Beispiel. Auch kann ich die Vergangenheit auf einmal sauber einführen, das braucht zwar im Moment mehr Zeit, dafür spare ich sie dann, wenn es wieder kommt, weil es von Anfang an als Ganzes gesehen werden kann.
Aber, es ist sehr schwierig geworden und was es in der Hauptsache schwieriger macht, ist die Komplexität der Aufgaben. Heute wird Wissen sofort verknüpft abgefragt. Es reicht nicht mehr, dass ich Masseinheiten umrechnen kann, ich muss sie in Sachaufgaben anwenden können, muss schriftlich rechnen können mit Massen und Masse in Wertetabellen darstellen. Die Zeit der Seitenweisen Biigeliumrechnungen ist vorbei. Das macht es extrem anspruchsvoll und führt bei Kindern, die mit mehreren Anforderungen gleichzeitig überforder sind zu schlechteren Leistungen und zum Eindruck, sie könnten nichts. Das bringt dann Eltern in Panik, dabei wäre die Basis schon gelegt, es reicht einfach nicht darüber hinaus, weil da Denkleistungen verlangt werden, die für gewisse Kinder zu komplex sind.
In einer Weiterbildung wurde mir mal gesagt, es gäbe Fertigkeiten und Fähigkeiten. Man könne schon das Einmaleins Testen, auf Zeit dann noch, das sei aber eine Fertigkeit. Wenn wir aber von Kompetenzen und Fähigkeiten ausgehen, dann müssen wir mit dem Einmaleins spielen können und es in anderen Situationen einbringen und anwenden können. Ich glaube das trifft es. Wir prüfen immer weniger Fertigkeiten, das ist heute eh verpönt. Ich komme aber immer wieder auch darauf zurück, weil ich das einfach wichtig finde. Und ich kann Kinder auch mal belohnen mit einem Fertigkeiten Test. Oft sind da Kinder gut, die sonst nicht immer brillieren können und sehr begabte Kinder tun sich mit den Fertigkeiten sehr schwer
