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_Rahel_
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Beitrag von _Rahel_ »

Liebe Leser:innen

Wo soll ich mit meiner Geschichte anfangen…? In der Vergangenheit oder in der Gegenwart…lasst mich mit der Gegenwart beginnen:

Ich bin zurzeit wegen meiner zweiten Geburt in einer Traumatherapie und meine Therapeutin hat mich dazu ermutigt, meine Geschichte hier niederzuschreiben. Wieso? Weil ich davon überzogen bin, dass ich diesen Rucksack erhalten habe um etwas zu bewegen.Ich habe viele Ideen. Vielleicht motiviert ihr mich mit euren Rückmeldungen.

Was ist geschehen..?

Gehen wir in der Zeit ganz kurz zurück zu meiner ersten Geburt im März 2020:
Schon meine erste Geburt war für mich traumatisch und endete in einen Notkaiserschnitt. Ich lag 30h in den Wehen, 8h davon ohne, dass sich der Muttermund weiter öffnete. Nach 24h empfahlen mir die Hebammen eine PDA zu legen, damit ich etwas zur Ruhe kommen kann um Kraft für die Austreibung zu tanken. Ich wollte nie eine PDA, wollte eine möglichst natürliche Geburt mit all ihren Facetten. Die Geburt zu Ende zu bringen war mir aber wichtig, deshalb machte für mich die PDA Sinn und ich stimmte zu. Irgendwann machten aber die Herztöne meiner Tochter nicht mehr mit und sie wurde mittels Notkaiserschnitt geholt. Hier Endet dieser Abschnitt in die Vergangenheit und um diese Geburt geht es auch gar nicht, aber sie ist der Grundstein dessen, was bei meiner zweiten Geburt kam.

Wenn ihr noch bei mir seit mit lesen, holt euch jetzt einen Kaffee oder einen Tee macht es euch gemütlich und lest meine Geschichte weiter:

Der 27.11.2021 veränderte mein Leben komplett. Alles begann in der Nacht vom 26.11 auf den 27.11. ich kam mit Wehen ins Spital und wollte, da es bei meiner ersten Geburt nicht geklappt hat, jetzt eine natürliche Geburt. Das Abwarten des ersten Jahres nach einem Kaiserschnitt mit erneut Schwanger werden habe ich brav abgewartet, die zuvor erhaltene Infobroschüre des Spitals mit den Risiken einer weiteren Geburt nach einem Kaiserschnitt gelesen.

Liebe Mamis, Liebe Papis, ich muss euch jetzt nicht groß erklären was geschah, ihr kennt es. Muttermund wurde abgetastet, ich wurde in den Gebärsaal gebracht, atmete mich durch die Wehen, haderte ab und zu mit mir selber ob ich den Weg der natürlichen Geburt wirklich schaffe…

Was ich schnell bemerkt habe ist, dass mein Körper anders auf die Wehen reagiert als noch bei der ersten Geburt. Bei der ersten Geburt steckte ich die Wehen locker weg. Doch hier, jetzt, begann ich ziemlich schnell zu erbrechen. Zwei, drei, vier Mal und ich fühlte mich zunehmend schwach, kraftlos. Mein linkes Bein begann einzuschlafen und plötzlich ging alles ganz schnell. Die Hebamme schreckte plötzlich auf und sagte, sie höre die Herztöne des Babys nicht mehr. Sie drückte den Alarmknopf und innert wenigen Minuten hatte ich drei Ärztinnen und etwa vier Hebammen um mich. Man kippte mein Bett nach hinten, und die Oberärztin führte ihre Hand in meine Scheide ein um die Kleine aus der aktuellen Position zu drücken und sie zu stimulieren. Sie sagte zu mir „wir müssen ihre Tochter holen - schnell. Es kann sein, dass ich sie in Vollnarkose legen muss, ich gebe mein bestes, dass es in Teilnarkose geht.“ Ich nickte, kam nicht dazu Fragen zu stellen denn ich wollte nur, dass es meiner Tochter gut geht. Also sind sie mit mir in Richtung Lift gerannt. Ich muss festhalten: während dieser Zeit hatte die Oberärztin immer noch ihre Hand in mir drin….
Dann im OP-Saal kam wieder die Routine, ich kannte das alles ja schon von meiner ersten Geburt. Und doch war vieles anders:
Meine Tochter schrie nicht als sie geholt wurde. Mein erster Satz zu meinem Mann „wieso schreit sie nicht, ich hör sie nicht, was ist mir ihr?“
Einige Minuten später hörte ich sie, doch sie wurde mir nur kurz für einen Willkommenskuss gereicht. Kein halten, kein verliebtes anschauen. Sie wurde umgehend der Kinderärztin der Neo übergeben.
Mein Mann war plötzlich weg aber ich dachte mir nichts dabei. Ich stellte mir in diesem Moment vor, wie er nun mit der Kleinen das Bonding genießen würde - so wie bei unserer ersten Tochter - währenddem ich hier liege und darauf warte, bis ich wieder fertig zusammengenäht bin.
Also lag ich da, gefühlt Stunden. Mir war kalt, mein Körper zitterte vor Erschöpfung und irgendwie kam es mir vor als ginge die Zeit nicht vorbei.
Und ab jetzt habe ich einen Filmriss resp. Ich kann mich an alles Weitere nicht mehr erinnern.
Deshalb hier nur kurz:
Ich kam in mein Wochenbettzimmer und bei meinem Mann war unsere Tochter nicht. Die Tür ging auf und ich hatte zwei der drei Ärztinnen wieder an meinem Bett stehen. Folgendes wurde mir gesagt:

„Sie sind unter den Wehen innerlich aufgerissen. Die Narbe an der Gebärmutter noch vom ersten Kaiserschnitt, der Gebärmutterhals runter bis zur Scheide. Sie haben fast einen Liter Blut verloren und wir mussten während dem Nähen noch einen weiteren Arzt zur Unterstützung dazu rufen.“
Da unsere Tochter Atemaussetzer hatte und 3w zu früh zur Welt kam, wurde sie direkt in die Neo eingewiesen.
Als wäre das nicht schon schlimm genug, musste ich den ganzen Tag mit Schmerzen kämpfen. Mein Bauch war immer noch so groß als wäre ich im 9Mt Schwanger.

Weiter gehts…

Noch in derselben Nacht kam der Kinderarzt zu mir ins Zimmer. Ich glaube es war so gegen 21:00 Uhr +/-. Er sagte zu mir, er wolle unsere Tochter zur Sicherheit auf die Intensivneo im Unispital Zürich verlegen. Das war für mich ein Schock und ein Schlag in die Magengrube. Ich hatte meine Tochter bis dahin noch keine Minute in den Armen, konnte noch keine Minute mit ihr kuscheln und jetzt muss ich Abschied nehmen? Ich hatte 1000 Gefühle gleichzeitig in mir. Angst, Trauer, Unsicherheit, Hoffnung, Vertrauen und mein erster Gedanke war: Nehmt mich mit! Ich will bei meiner Tochter sein!
Da ich aber nach wie vor so starke Schmerzen hatte, war ich nicht verlegungsfähig. Ich musste also Stark sein und vollstes Vertrauen in die Ärzte haben. Unter Tränen habe ich meinen Mann telefonisch darüber informiert, was nun geschehen wird.

Einige Zeit später, so gegen 22:00 oder 23:00 klopfte es an meiner Tür. Die Sanitäter der Ambulanz brachten mir meine Tochter ins Zimmer - auf der Transportbahre in einem Glaskasten. Ich konnte vor lauter Schläuche ihr Gesicht kaum sehen. Sie gatte einen Schlauch in der Nase der auf der Stirn festgeklebt war, überall Kabel, rote Lichter und gepiepse. Wisst ihr wie ich mich verabschiedet habe..? Ich habe ihre kleine Hand gehalten und ihr gesagt sie solle stark sein und kämpfen. Ihre Augen waren geschlossen. Ich konnte ihr keinen Abschiedskuss geben, ich konnte sie nicht streicheln und ich wusste nicht, ob ich sie wieder sehen werde….
Als die Sanitäter gingen, kam der Kinderarzt nochmals zu mir. Er setzte sich zu mir aufs Bett und machte mir Mut. Er versprach mir, mich umgehend zu informieren sobald meine Tochter im USZ ankam und mir eine 24/7-Stationsnummer zu geben. Das hat er dann tatsächlich auch gemacht. Irgendwann um 2:00 Uhr, als ich wieder unter Schmerzen erwacht bin, habe ich diese Nummer angerufen und mich nach meiner Tochter erkundigt. Es gehe ihr gut, beruhigte man mich. Ein so einfacher Satz der mir so unglaublich gut tat…
Wir sind ja nun beim Sonntag, 28.11. da gibt es nichts zu sagen. Ich hatte Schmerzen - Punkt. Mein Bauch platzte schier, ich konnte mich vor Schmerzen kaum bewegen. Gehen wir zum 29.11.

Der Montag - ja….ich dachte eigentlich, schlimmer als die Geburt und die Verlegung meiner Tochter kann es nicht werden. Wie sehr ich mich darin getäuscht habe, sollte ich bald noch erfahren...
Als ich immer noch einen überdimensional großen Bauch hatte und mich meine Schmerzen fast umbrachten - ich konnte mittlerweile fast nicht mehr atmen - haben die Ärzte entschieden ein CT zu machen. Das war gegen 16:00 Uhr. Ca gegen 17:00 oder 18:00 Uhr standen zwei Chirurgen an meinem Bett. Sie sagten mir, dass ich Flüssigkeit in meinem Bauch hätte und keine Darmgeräusche. Da sie nicht wussten, ob es sich bei der Flüssigkeit um neues Blut aus irgendeiner meinen inneren Wunden handelt beschlossen sie, noch am selben Abend eine Notoperation durchzuführen. Ich nickte, ich war nicht besorgt, war nur wieder eine Operation - dachte ich. Doch was das mit sich zog, konnte ich mir in meinem schlimmsten Alptraum nicht ausmalen:
Wie schon so häufig klopfte es an meiner Tür. Die Pflegefachfrau und ein weitere Arzt kamen in mein Zimmer. Sie sagten mir, meine Operation würde um 20:00Uhr sein, sie müssen mich nun vorbereiten. Da setzte sich der Arzt zu mir ans Bett und reichte mir ein Glas Wasser. Er sagte zu mir "ich muss ihnen jetzt eine Magensonde legen". Ich brach vor lauter Angst in Tränen aus. Ich fragte ihn wieso das nötig sei. Er antwortete mir: "Wenn wir sie operieren ohne Magensonde besteht die Gefahr, dass während der Operation Magenflüssigkeit in Ihre Lungen fließen und sie dadurch ersticken". OK. Ich wusste in dem Moment, dass ich keine andere Wahl hatte als das Prozedere über mich ergehen zu lassen. Er sagte zu mir, er werde den Schlauch nun durch meine Nase einführen und wenn er bei meinem Kehlkopf angekommen ist, soll ich einen Schluck Wasser trinken und in dem Moment wenn ich Schlucke würde er mir den Schlauch in den Magen hinunter schieben. Natürlich hat es aber nicht auf Anhieb geklappt, wir mussten zwei Anläufe nehmen. Als der Schlauch die Nase hoch gestoßen wurde hat es in meinem Hirn geknistert und geknackst - ein PCR-Test ist lächerlich dagegen. Und dann kam der Moment mit dem Schluck Wasser und der Moment, als die Sonde meinen Magen erreichte. Bitte entschuldigt was jetzt kommt aber ich habe - ohne Witz - etwa eine halbe Stunde nur erbrochen, erbrochen, erbrochen, erbrochen. Wollt ihr fühlen, was ich in dem Moment gefühlt habe? Dann drückt jetzt mal ordentlich fest mit einem Finger gegen euren Kehlkopf, spürt ihr wie es bei euch einen Würgereiz auslöst? DAS hatte ich ab diesem Moment für die nächsten zwei Tage 24/7...
Nun gut, die OP verlief ohne Zwischenfälle - auf die Details verzichte ich. Die Magensonde behielt ich noch bis am Mittwoch, obwohl ich beinahe stündlich unter Tränen darum gefleht habe mir diese zu entfernen. Ihr müsst euch das so vorstellen, dass bei jeder Bewegung, also beim Sprechen, beim Schlucken, Aufstehen, Hinlegen, Nicken, Drehen, Schlafen etc. diese Sonde meinen Kehlkopf gereizt hat und ich deshalb ständig gewürgt oder erbrochen habe. Schon nur auf die Toilette gehen war mit Erbrechen verbunden, denn durch die Positionsveränderung vom Liegen ins Sitzen hat sich die Lage Sonde verändert und wieder aufs Neue den Kehlkopf gereizt.
Nun gut, wir lassen das Thema so stehen.
Am Mittwoch wurde mir dann die Magensonde endlich gezogen und ich fühlte mich wie neu geboren. Ich fand endlich die Kraft mich zu duschen, ich kam das erste Mal ohne Hilfe aus dem Bett, ich dachte "jetzt geht es bergauf". Doch schon in der Nacht auf Donnerstag wurde ich erneut eines Besseren belehrt. Ich erwachte irgendwann in der Nacht und spürte, dass ich zwischen den Beinen und meinem Gesäß nass war. Ich konnte in dem Moment aber nicht sagen ob es Blut (Wochenbett) oder ob es Urin war. Ich drückte den Knopf um die Schwester zu rufen. Sie kam, beruhigte mich, sagte zu mir, ich hätt eingenässt aber dass das völlig normal sei. Es käme oft vor, dass Frauen mit schweren Geburtsverläufen an Inkontinenz leiden, dass gehe vorbei. Sie hat frisches Bettzeug geholt, mich gewaschen und so bin ich dann wieder eingeschlafen.
Am Donnerstagmorgen - ich kann mich wirklich noch sehr genau daran erinnern - saß ich am Bettrand da das Frühstück gebracht wurde. Ich freute mich auf meinen Kaffee und auf die erste feste Mahlzeit seit langem (während der Magensonde hatte ich nur Flüssignahrung). Ich weiß noch, ich musste so dringend aufs WC, aber ich wollte zuerst noch einen Schluck Kaffee nehmen, da spürte ich wie gefühlt innerlich etwas riss. Also stellte ich meine Kaffeetasse hin, stand auf und ging aufs WC. Als ich dann zurück an mein Bett kam und mich hinsetzen wollte sah ich, dass da erneut ein nasser Fleck war. Es war mir unangenehm, ich wusste aber auch, dass ich nichts für diesen Zustand konnte. Ich beruhigte mich mit den Worten der Pflegerin von letzter Nacht - ich sagte mir in Gedanken "es ist alles in Ordnung, dass kommt vor, es geht vorbei". Also rief ich erneut eine Pflegerin welche mir das Bettzeug wechselte während dem ich eine Dusche nahm. Das war dann ab sofort mein neuer Zustand. Ich verlor ab diesem Zeitpunkt unkontrolliert Urin - ich war mit 32 Jahren inkontinent - Punkt.

Ich wurde am Samstag aus dem Krankenhaus entlassen - auf meinen Wunsch. Schließlich hatte ich ja noch meine große Tochter, die ich unglaublich vermisst habe und ich hatte genug von der Spitalatmosphäre. Meine kleine Tochter kam übrigens mit nach Hause. Sie wurde ebenfalls am Samstag aus der Neo entlassen. Dafür war ich unglaublich dankbar.
Die Ärzte sagten mir jedoch, dass meine Entzündungswerte im Blut eigentlich für eine Entlassung viel zu hoch seien und ich deshalb am Montag wieder im Spital für eine Blutabnahme antraben müsse (Mein CRP-Wert war bei 274 - Normalwert ist bis 10). Ich nahm das so zur Kenntnis, ging voller Freude und mit etwa zehn verschiedenen Medikamenten und Antibiotika nach Hause.
Dort geht meine Geschichte wie folgt weiter - in Kurzfassung:
Ich ging am Montag erneut ins Spital, sie schickten mich nach Hause ohne meine Blutresultate abzuwarten. Wir gingen alle davon aus, dass sich nun bestimmt alles beruhigt hat. Ich war noch nicht zu Hause, da klingelte mein Iphone - der Gynäkologe war dran und teilte mir mit, dass meine CRP-Werte immer noch äußerst hoch seien und er den Verdacht hat, dass ich eine Gebärmutterentzündung habe. Ich solle bei meiner Frauenärztin anrufen und als Notfall einen Abstrich machen lassen und müsse dann am Donnerstag wieder ins Spital kommen - wieder eine Blutabnahme machen. Gut, ich habe den Termin bei meiner Frauenärztin bekommen und konnte am Mittwochmorgen meinen Abstrich machen. Ich ging am Donnerstag ins Spital, hab Blut abgenommen und bin wieder nach Hause. Am Abend klingelte wieder mein Iphone, meine CRP-Werte sind immer noch hoch, ich solle das Antibiotika weiter einnehmen und alle zwei Tage zu meinem Hausarzt gehen (ich möchte festhalten: der Weg zu meinem Hausarzt --> 2min mit dem Auto - ins Spital --> 35 - 40min mit dem Auto).
So verlief mein Dezember. Ich lag mit viel zu hohen Entzündungswerten zu Hause im Bett, war nicht fähig mich um meine neugeborene Tochter und auch nicht um meine große Tochter zu kümmern. Ich konnte mich vor Schmerzen kaum aus dem Bett bewegen. Der Gang zum Hausarzt war eine Qual. Ich war Körperlich - und durch meine Belastungsinkontinenz auch psychisch ein Wrack (ich trug Erwachsenenwindeln - stellt euch das bitte mal vor wie demütigend das ist). Keine Kontrolle über seinen Körper zu haben ist etwas vom schlimmsten, dass man sich vorstellen kann.
Lassen wir das so stehen, ich hatte dann noch einen Allergischen Schock, landete wieder in der Notfallaufnahme aber das ist nicht weiter erwähnenswert.
Nach sechs Wochen hatte ich dann meine normale Nachgeburts-Kontrolle bei meiner Frauenärztin. Ich schilderte ihr unter Tränen meinen Gemütszustand. Dann kam der Moment, der mein aktueller Zustand verändern sollte.
Ich setzte mich also auf den Untersuchungsstuhl und entschuldigte mich schon mal vorgängig unter Tränen bei meiner Frauenärztin, falls ich einen Gutsch Urin verlieren sollte. Sie begann mit dem Untersuch und sagte keine Minute später: "Jetzt ist mir soeben ein Gutsch Urin aus der Scheide entgegengekommen, ich vermute, Sie haben eine Fistel". Ich weinte auf dem Stuhl, ich weinte vor Erleichterung weil ich nun endlich wusste, dass ich immer Recht hatte, ich habe nämlich ständig gesagt, dass ich keine Belastungsinkontinenz habe, dass mir Urin abgeht, ohne einen roten Faden nennen zu können (im Sitzen, im Stehen, beim liegen etc.). Keiner der etwa sechs Gynäkologen:innen bei denen ich im Spital war, hat mich genauer untersucht oder mir zugehört. Nein, man hat mich sogar für eine spezielle Physiotherapie mit Biodynamischem Feedback angemeldet. Ich sage dem "Ärzteblindheit"!
Nun gut, im gleichen Atemzug sagt sie zu mir "es wird noch ein langer und schmerzhafter Weg, aber wir haben nun eine Idee was es sein könnte. Ich werde sie im Kantonsspital Aarau in der Frauenklinik anmelden". Eine Woche später hatte ich bereits meinen Termin.
Ich halte mich kurz:
Es wurde mir ohne mich zu sedieren eine Blasenspiegelung durchgeführt. Mein Körper zitterte vor Schmerzen und der Untersuch kam mir eine Ewigkeit vor. Der Arzt konnte mir dann aber tatsächlich bestätigen, dass ich einen Riss im Harnleiter hatte und eine Fistel in der Blase. Dadurch ist mir bei jedem Toilettengang Urin durch den Riss im Harnleiter gesickert und hat sich neben der Blase angesammelt und so ist langsam ein Riss entstanden der in meine Scheide mündete.
Nun hieß es "den Zeitfaktor nutzen":
Man besprach mit mir das weiter Vorgehen. Ziel war, mir zeitnahe eine 35cm lange Schiene von Niere, Harnleiter durch die Blase bis zur Harnröhre zu legen. Sodass der Riss im Harnleiter - wie bei einem gebrochenen Knochen - geschient werden kann und das Gewebe dadurch hoffentlich von selber wieder zusammenwachsen kann. Durch meine geburtlichen inneren Komplikationen wollte man um jeden Preis eine Bauchoperation vermeiden. Vom Zeitpunkt der Geburt bis zur Einführung der Schiene vergingen acht Wochen. Es konnte mir niemand garantieren, ob acht Wochen bei meine Körper für eine Selbstheilung ausreichten oder nicht. Ich behielt die Scheine dann bis zum 5. April 2022 in meinem Körper. Es war unangenehm aber ich konnte wieder ein normales Leben führen, bin eigentlich gar nicht mehr "ausgelaufen".
Am 19. März 2022 hatte ich dann mein MRI um zu prüfen, ob der Riss im Harnleiter nun zusammengewachsen ist. Da ich an Platzangst leide, musste ich auch hier wieder einiges über mich ergehen lassen. Den ersten Versuch mussten wir abbrechen, beim zweiten konnte ich bis 80% durchhalten. Die Besprechung eine Woche später war niederschmetternd. Der Riss ist leider nicht zusammengewachsen. Also hiess es für mich - Bauchoperation. Diese wurde auf den 5. April 2022 gelegt. Man hat mir den Harnleiter ober oder unterhalb des Risses abgeschnitten und nebenan neu mit der Niere und der Blase angenäht. Ich wurde dann einige Tage später mit einem Blasenkatheter entlasse, da ja auch die genähten Risse an der Blase heilen mussten. Hierfür musste die Blase stillgelegt werden.
Eine Woche später hatte ich dann den Blasenbelastungstest. Als ich diesen bestanden habe wurde mir der Katheter auch schon wieder gezogen. Ich weinte vor Glück und Erleichterung denn ich war tatsächlich wieder Dicht. Kein unkontrollierter Urinabgang mehr. Mein Körper funktionierte wieder.
Am 6. Mai 2022 war der letzte Eingriff. Mir wurde die Schiene entfernt und ab jetzt galt es ernst für meinen Körper. Er musste nun alles selber Regeln. Und mein Körper kann und macht es! Es funktioniert wieder alles. Ich habe mein kleines, persönliches Happy End.

Hat auch jemand hier eine solche oder ähnliche Erfahrung gemacht? Ich würde mich gerne mit euch austauschen.
Wie geht es euch Väter und Ehemänner damit?

Liebe Grüsse
Rahel

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Stella*
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Re: Ich bin 1 von 1 500

Beitrag von Stella* »

Liebe Rahel

Ich bin nicht davon betroffen, aber deine Geschichte hat mich sehr berührt. Wahnsinn, was du durchmachen musstest! :cry:
Ich freue mich sehr für dich, dass alles ein gutes Ende genommen hat und es dir und deiner Tochter gut geht. Das ist das Allerwichtigste.
Du wirst jedoch bestimmt noch viel Zeit brauchen, um alles zu verarbeiten. Nimm unbedingt Hilfe in Anspruch, wenn du das Gefühl hast, es alleine nicht zu schaffen.

Alles Gute! 🌺

_Rahel_
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Re: Ich bin 1 von 1 500

Beitrag von _Rahel_ »

Liebe Stella
Ich bedanke mich bei dir, dass du dir Zeit genommen hast meine Geschichte zu lesen und deine lieben Worte.
Ich merke, dass ich die Traumatherapie noch brauche und sie mir gut tut. Gerade jetzt, wo sich das alles bald zum ersten Mal jährt…
Liebe Grüsse
Rahel

Mialania
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Re: Ich bin 1 von 1 500

Beitrag von Mialania »

Liebe Rahel
Ich selber bin auch nicht betroffen, ich kenne aber auch den Moment, wo sie einem das Baby im Glaskasten ans Bett bringen, um sich zu verabschieden, während man selber ans Bett gefesselt ist. Mein Sohn hatte auch so viele Kabel und Schläuche, aber ja. Unsere Geschichte ging anders aus.
Was dir sonst noch geschah ist einfach nur schrecklich und traumatisch. Was mir damals half, war, alles bei der Ombudsstelle des Krankenhauses zu deponieren und Dampf abzulassen. Dazu nahm ich auch professionelle Hilfe in Anspruch.
Unser Sohn wäre im Juni 5 Jahre alt geworden und er hat mittlerweile drei Geschwister bekommen. Etwas Misstrauen und Skepsis gegenüber Ärzten blieb mir trotzdem.
Alles Liebe,
Mialania

_Rahel_
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Re: Ich bin 1 von 1 500

Beitrag von _Rahel_ »

Liebe Mialania
Zuerst:
Auch danke dir, dass du dir Zeit genommen hast, meine Geschichte zu lesen.

Ich kann aus deinen Zeilen spüren, wie euer Ausgang war und es tut mir im Herzen weh. Es tut mir soo leid, dass du und auch Ihr als Familie - also auch dein Ehemann, deine Eltern und evtl. deine Geschwister ein solches Erlebnis durchmachen mussten. War doch die Freude bei allen so riesig.
Sei stolz auf dich, dass du Hilfe angenommen und Dampf abgelassen hast! Das war das einzig Richtige! Sich einzugestehen, dass man Hilfe braucht zeigt stärke. Und das ist kein Klischee, ich spreche hier aus purer Erfahrung! Es freut mich, dass ihr trotzdem eure Familie weiter vergrößert habt und ihr hoffentlich alle gesund seid. Ich wünsche euch alles Gute.
In Liebe
Rahel

Joeyita
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Re: Ich bin 1 von 1 500

Beitrag von Joeyita »

Liebe Rahel

Das klingt wirklich sehr, sehr heftig und traumatisch bei dir. Wie schön zu lesen, dass sich gesundheitlich alles zum Guten gewendet hat für dich und deine Tochter. Dass diese Erlebnisse aber sehr traumatische Erinnerungen hinterlassen, die du aufarbeiten musst, glaube ich sofort.

Ich hatte nur eine routinemässige Harnleiteroperation mit 30 und kann daher nur ansatzweise nachfühlen, welche Schmerzen du ertragen musstest. Hut ab vor deinem Durchhalten und alles Gute für euren weiteren Weg!
Stolzes Buebemami - November 2015 und März 2018

_Rahel_
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Re: Ich bin 1 von 1 500

Beitrag von _Rahel_ »

Liebe Joeyita

Es ist schön deine Zeilen zu lesen. Ich bedanke mich auch bei dir von ganzem Herzen, dass du dir die Zeit genommen hast meine Geschichte zu lesen. Ich bin unglaublich dankbar, dass unsere Geschichte ein Happy End hat - auch wenn ich, nie mehr schmerzfrei sein werde und von dem Wunsch ein drittes Kind zu haben Abschied nehmen musste. Ich bin einfach aus tiefstem Herzen dankbar, dass ich zwei gesunde Kinder habe und ich selber auch noch da bin ;). Wie kam es denn zu deiner Harnleiteroperation? Das würde mich noch sehr interessieren. Wenn du magst, schreib mir doch eine Nachricht.
Auch dir alles alles Gute.

Joeyita
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Re: Ich bin 1 von 1 500

Beitrag von Joeyita »

@rahel: PN :wink:
Stolzes Buebemami - November 2015 und März 2018

_Rahel_
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Re: Ich bin 1 von 1 500

Beitrag von _Rahel_ »

Hi Joeyita
Ich habe deine PN erhalten und habe sie gelesen. Leider kann ich dir nicht antworten und wenn ich eine neue Nachricht erstellen möchte, kommt mir folgende Fehlermeldung "Leider bist du nicht berechtigt, diese Funktion zu nutzen. Du hast dich vermutlich erst vor kurzem registriert und musst dich noch mehr an Diskussionen im Board beteiligen, damit du diese Funktion nutzen kannst."
Finde ich schon einbisschen fragwürdig diese Forumsregel...schade. Ich weiss nun leider nicht, wie ich dir antworten soll:(.

Joeyita
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Re: Ich bin 1 von 1 500

Beitrag von Joeyita »

Liebe Rahel

Ja das ist so üblich, wenn jemand neu registriert ist... aber du darfst mir gerne auch hier antworten, das ist kein Problem.
Stolzes Buebemami - November 2015 und März 2018

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