Gefühlsstarke Kinder

Unsere grossen Kleinen und unsere kleinen Grossen. Was uns in diesem Abschnitt der Kinder begleitet, beschäftigt und interessiert.

Moderator: conny85

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Joeyita
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Gefühlsstarke Kinder

Beitrag von Joeyita »

Liebe Foris

Ich habe festgestellt, dass das Thema zwar zwischendurch in einzelnen Threads auftaucht, es aber noch keinen spezifischen Thread zum Thema Gefühlsstarke Kinder gibt. Ich fände es sehr wertvoll, wenn wir uns hier als Betroffene dazu austauschen könnten. Wer hat selber ein gefühlsstarkes Kind? Was sind eure Hauptprobleme? Was hilft euch?
Für diejenigen, denen dieser Begriff noch weniger bekannt ist, liste ich gerne die 8 Merkmale gefühlsstarker Kinder nach Nora Imlau (Autorin von "So viel Freude, so viel Wut" und "Du bist anders, du bist gut") auf:

1. Sie erleben und äußern Gefühle besonders intensiv und springen dabei häufig von einem Extrem ins nächste.

2. Sie sind sehr ausdauernd und hartnäckig und lassen so leicht nicht locker, wenn sie sich mal etwas in den Kopf gesetzt haben.

3. Sie sind überdurchschnittlich sensibel, dadurch auch leicht reizüberflutet und sehr verletzlich.

4. Sie sind außergewöhnlich offen für alle Eindrücke und nehmen ihre Umwelt ganz genau wahr.

5. Sie haben ein Thema mit Routinen: Entweder beharren sie stark auf immergleichen Abläufen, von denen um keinen Preis abgewichen werden darf. Oder sie empfinden jeden Form von Rahmen als Freiheitsbeschränkung und wehren sich mit aller Macht gegen immergleiche Abläufe im Alltag.

6. Sie verfügen über eine scheinbar niemals endende Energie, haben einen großen Bewegungsdrang, und brauchen im Vergleich zu anderen Kindern ihres Alters viel weniger Schlaf.

7. Sie tun sich sehr schwer mit Veränderungen und Übergängen. Jede neue Umgebung bedeutet erstmal Stress, jeder Wechsel zwischen Bezugspersonen fällt schwer.

8. Sie sind oft sehr nachdenklich, philosophisch und grüblerisch und machen sich auch über traurige und schwierige Themen viele Gedanken. Deshalb wirken sie oft ernster als andere Kinder.

Ich fange gleich mal bei mir an: Ich bin Mami von zwei Jungs und mein älterer (gerade 6 geworden) ist gefühlsstark. Er erfüllt meiner Meinung nach alle 8 Kriterien :lol: . Wir kämpfen vor allem mit Übergängen (anziehen, rausgehen, Neues, Ortswechsel), mit seinem wilden Temperament, welches viele andere Kinder (und deren Eltern) überfordert und damit, dass er immer noch sehr schnell körperlich wird (hauen, schubsen, treten statt sprechen). Er hat eine nicht enden wollende Energie, die vor allem drinnen oft überbordet. Was ich an meinem Sohn toll finde: Seine Begeisterungsfähigkeit und seine Ausdauer. Dass er seine Freude im gleichen Ausmass zeigen kann, wie seinen Unmut. Und dass er sich mit aller Kraft für sich selber einsetzt, auch wenn das oft so anstrengend für uns ist.

Was uns hilft (natürlich nicht immer, ein Patentrezept gibt es bei uns nicht...): Termine / Dinge, die für ihn problematisch sein könnten, vorausschauend mit ihm besprechen und Strategien anschauen, die hilfreich sein könnten.
Viel Exklusivzeit. Einschlafbegleitung (ja, immer noch...). Viel Bewegung an der frischen Luft.

Bin gespannt, was ihr zu berichten habt!
Stolzes Buebemami - November 2015 und März 2018

Mialania
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Re: Gefühlsstarke Kinder

Beitrag von Mialania »

Hallo Joeyita
Bei den 8 Punkten erkenne ich meinen 3.5jährigen Sohn fast ganz wieder. Bei uns bilden sich erst so Routinen, die setzt er dann auch beim 16jährigen Bruder so durch. Viele Sachen gingen dann aber wirklich ewig, also, über ein Jahr, bis sie routiniert wurden. Zeitweise hatte ich das Gefühl, ich rede mir den Mund fusselig (ohne einen Roman aufzusagen). Aktuell bin ich bei "lah sy".
Reden ist bei ihm erst am Kommen, wir haben mit Logopädie und Ergotherapie gestartet. Geholfen hat meiner Meinung nach auch der Start mit der Spielgruppe, habe aber auch das Gefühl, dass andere Leute mit seiner Dynamik überfordert sind.

Gerade bei der älteren Generation habe ich den Eindruck, dass sie meinen, dass ich halt einfach falsch erziehe, weil ich noch Familienbett und Langzeitstillen habe und ihn nicht zwinge, das zu essen, was es gibt. Wenn er nicht gehorcht, muss "es" halt mal weh tun und und und.

Patentrezept suche ich noch. Bis dahin weile ich mich mit viel Geduld, auf Augenhöhe kommunizieren, viel trösten, weniger streng mit mir sein und "es manchmal einfach laufen lassen", ohne starre Regeln.

Ach ja, wir sind auch sehr viel draussen. Morgens, Nachmittags, stundenlang. Heute waren wir live dabei, wie eine Tanne gefällt wurde. Das war natürlich der Hit.

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ChrisBern
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Re: Gefühlsstarke Kinder

Beitrag von ChrisBern »

Ich habe zwei Kinder, der Kleine erfüllt die meisten Kriterien. Er ist jetzt vier- bei ihm fing es mit zwei Jahren an und hörte dann nicht mehr auf...

Unsere Herausforderungen sind die extreme Sturheit, wenn er sich was in den Kopf gesetzt hat, bringt man ihn nicht davon ab. Ausserdem die emotionalen Ausfälle (halbe Stunde brüllen geht locker) und vor allem der sehr ambivalente Umgang mit Routine: flippt er am Morgen schier aus, weil ich mir einen Kaffee mache (aber Mama, ich wollte dir doch den Kaffee machen), finden wir abends keine Routine (das wird als Gängeln angesehen und er verhandelt ca aller drei Tage das Abendritual neu). Letzteres stresst mich am meisten, weil ich gar nicht einschätzen kann, wann er Routine braucht und will und wann sein Freiheitsdrang überhand nimmt.

In sozialen Settings (seit Sommer in der Schule) geht es erstaunlich gut, sein Charme und seine Begeisterungsfähigkeit sind ein grosser Türöffner. Bis jetzt zumindest, aber er hat ja noch viele Freiheiten. Wenn er dann mal etwas machen muss, wie schreiben oder so, bin ich gespannt. Seit dem Schulstart kommt er allerdings abends nicht mehr runter und das ist sehr anstrengend, einschlafen ist sehr schwer. Das ist neu. Hinzu kommt: ich hasse Einschlafbegleitung und wehre mich mit Händen und Füssen...

Was bei uns neu sehr gut funktioniert: bei Wut geht er in sein Zimmer, schmeißt die Tür, reguliert sich dann aber gut. Da ist er von selbst drauf gekommen. Das entspannt bei uns die Lage sehr.

Ansonsten hilft bei uns Humor, aus Dramasituationen einen Witz machen (ohne sich über ihn lustig zu machen), das ist eine gute Strategie. Rückfragen, was er braucht, klappt manchmal. Körperliche Strategien wie kitzeln oder Tanzen klappt auch.
Was bei uns leider gar nicht klappt: körperliche Aktivität. Dann scheint der Körper müde, der Geist aber nicht und er kommt abends noch schlechter runter. Wir sind sehr viel draussen, aber leider macht das alles eher schwieriger am Abend. Geistige Erschöpfung (ohne zu überdrehen) bringt bei ihm fast mehr. Allerdings ist er draussen ein sehr guter Spielgenosse, besser als drinnen (vor allem mit der Grossen Schwester).

Joeyita
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Re: Gefühlsstarke Kinder

Beitrag von Joeyita »

Liebe Mialania

Das mit dem "falsch erziehen" kenne ich auch zu gut. Einerseits höre ich manchmal ich lasse ihn zu viel entscheiden und überfordere ihn damit, andererseits sei ich zu laut... :oops: Sein Verhalten kann mich in der Tat sehr stark triggern, daran arbeite ich noch.

Was ich auch stark merke momentan, ist dass man einem 6-Jährigen keine solchen Ausbrüche mehr zugesteht, für welche das Umfeld mit 3 noch mehr Verständnis hat (auch wenn sie in dem Alter auch anstrengend sein können). Auch ich selber erwische mich oft beim Gedanken "das sollte er aber doch langsam im Griff haben" (z.B. dass er zuerst etwas sagt und nicht schubst oder etwas einfach wegreisst). Ich glaube fast, dass mich das Umfeld manchmal mehr stresst als mein gefühlsstarkes Kind :oops:. Daran sind aber nicht in erster Linie nur die anderen Schuld, sondern auch meine eigenen Erwartungen und Ansprüche, glaube ich.
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Joeyita
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Re: Gefühlsstarke Kinder

Beitrag von Joeyita »

ChrisBern hat geschrieben: Mo 22. Nov 2021, 11:49 Ich habe zwei Kinder, der Kleine erfüllt die meisten Kriterien. Er ist jetzt vier- bei ihm fing es mit zwei Jahren an und hörte dann nicht mehr auf...

Unsere Herausforderungen sind die extreme Sturheit, wenn er sich was in den Kopf gesetzt hat, bringt man ihn nicht davon ab. Ausserdem die emotionalen Ausfälle (halbe Stunde brüllen geht locker) und vor allem der sehr ambivalente Umgang mit Routine: flippt er am Morgen schier aus, weil ich mir einen Kaffee mache (aber Mama, ich wollte dir doch den Kaffee machen), finden wir abends keine Routine (das wird als Gängeln angesehen und er verhandelt ca aller drei Tage das Abendritual neu). Letzteres stresst mich am meisten, weil ich gar nicht einschätzen kann, wann er Routine braucht und will und wann sein Freiheitsdrang überhand nimmt.

In sozialen Settings (seit Sommer in der Schule) geht es erstaunlich gut, sein Charme und seine Begeisterungsfähigkeit sind ein grosser Türöffner. Bis jetzt zumindest, aber er hat ja noch viele Freiheiten. Wenn er dann mal etwas machen muss, wie schreiben oder so, bin ich gespannt. Seit dem Schulstart kommt er allerdings abends nicht mehr runter und das ist sehr anstrengend, einschlafen ist sehr schwer. Das ist neu. Hinzu kommt: ich hasse Einschlafbegleitung und wehre mich mit Händen und Füssen...

Was bei uns neu sehr gut funktioniert: bei Wut geht er in sein Zimmer, schmeißt die Tür, reguliert sich dann aber gut. Da ist er von selbst drauf gekommen. Das entspannt bei uns die Lage sehr.

Ansonsten hilft bei uns Humor, aus Dramasituationen einen Witz machen (ohne sich über ihn lustig zu machen), das ist eine gute Strategie. Rückfragen, was er braucht, klappt manchmal. Körperliche Strategien wie kitzeln oder Tanzen klappt auch.
Was bei uns leider gar nicht klappt: körperliche Aktivität. Dann scheint der Körper müde, der Geist aber nicht und er kommt abends noch schlechter runter. Wir sind sehr viel draussen, aber leider macht das alles eher schwieriger am Abend. Geistige Erschöpfung (ohne zu überdrehen) bringt bei ihm fast mehr. Allerdings ist er draussen ein sehr guter Spielgenosse, besser als drinnen (vor allem mit der Grossen Schwester).
So spannend von euren Erfahrungen zu lesen :D

Im Kindergarten läuft es auch recht gut. Er ist einfach beim Anziehen und so oft der letzte, weil er sich von allem Drumherum ablenken lässt. Aber damit können wir leben :wink: . Letzte Woche gab es im Kiga eine Situation, dass er im Kreis vor allen für ein Vergehen (er hat anscheinend ein Mädchen geschubst oder getreten) vor der ganzen Klasse im Kreis blossgestellt wurde. Das fand ich gar nicht in Ordnung. Ansonsten höre ich eigentlich wenig bis nichts, ausser dass er schon ein bisschen den Ruf des wilden Rabauken hat...

Wow, dass er selber ins Zimmer geht und sich regulieren kann, das klappt bei uns gar nicht. Er ist dann wie in der Situation gefangen und kommt glaube ich gar nicht drauf, den Raum selber zu wechseln... vielleicht kommt das mal noch. Wir haben auch einen Boxsack im Keller, wird nicht benutzt. Ich habe ihm auch schon viele Alternativen geboten (Papier zerknüllen, Ball auf den Boden werfen, in ein Kissen brüllen...) aber es wird bisher nichts akzeptiert. Das macht es sehr schwer, weil er in seiner Wut meistens jemandem wehtut oder etwas kaputt macht.

Was er braucht, frage ich sehr, sehr oft. Oder ich bespreche am Abend in Ruhe mit ihm, ob er eine Idee hat, wie wir eine Situation besser lösen können. Da kommt meist einfach "keine Ahnung" :roll:
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ChrisBern
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Re: Gefühlsstarke Kinder

Beitrag von ChrisBern »

Ja, beim "brauchen" kriege ich nicht unbedingt eine schlaue Antwort. Aber manchmal kehrt die Frage die Dynamik um, wenn er sauer und wütend ist. Das klappt natürlich nur vor der Eskalationsstufe und die erwische ich oft auch nicht.. aber manchmal hab ich glück.

Ja, das mit dem ins Zimmer gehen, weiss gar nicht, wie er da drauf gekommen ist. In den ferien hab es einen Schrank für Kissen, wo er sich verstecken konnte. Dort hat das angefangen (hatte erst nen halben Herzinfarkt, weil ich in einem grossen Ferienhaus mein Kind nicht gefunden habe). Ich habe den Eindruck, er ist wirklich von selbst drauf gekommen.

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naura
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Re: Gefühlsstarke Kinder

Beitrag von naura »

@Joeyita
Nur ein Gedanke...
Ich befasse mich aus verschiedenen Gründen immer wieder mit dem Thema ADHS und für mich klingen diese Beschreibungen schon sehr danach.. Ich war früher sehr gegen so Schubladen, bis ich halt jemanden kennenlernte, der sehr unter dem ganzen Anderssein gelitten hat (v.a. in der Kindheit) und für den es eine riesen Befreiung war eine Diagnose und damit auch viele neue Möglichkeiten/Werkzeuge und Verständnis zu bekommen..
Ich habe selber eine "spezielle" Persönlichkeitsstruktur und über die Jahre ein Leben erarbeitet, welches auf diese abgestimmt ist. Viele Punkte sind ähnlich wie bei deiner Beschreibung oder aber auch bei ADHS-Beschreibung. Für viele Menschen ist das aber vielleicht nicht gleich möglich wie für mich, jedenfalls nicht ohne "Erklärung" warum sie das brauchen - v.a. für sich selbst.
Mir hat die Psychoedukation schon immer wahnsinnig geholfen, auch im Umgang mit anderen. Darum empfehle ich gerne auch anderen verschiedene Bücher zu lesen. In deinem Fall etwas über Hochsensibilität und ADHS.
mit Meite (07)
°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°
Wir sind da um zu strahlen, wie es die Kinder tun.
Mandela

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ChrisBern
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Re: Gefühlsstarke Kinder

Beitrag von ChrisBern »

Wenn ich die Bücher über gefühlsstarke Kinder gelesen habe, kommt schon recht klar raus, dass es Ähnlichkeiten zu ADS bzw ADHS gibt, aber auch zu ASS. Mein Sohn ist aktuell noch zu klein für eine ADHS Diagnose. Ich behalte das sicher im Hinterkopf, wobei es bei ihm eher ADS wäre. ASS würde ich jetzt recht ausschließen.
Aber ja, man sollte das sicher auf dem Radar behalten.

Joeyita
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Re: Gefühlsstarke Kinder

Beitrag von Joeyita »

@naura: Danke dir für diesen Hinweis. Ich habe es selber auch immer mal wieder im Hinterkopf und es kann gut sein, dass es mal noch zu einer Abklärung kommt. Ich denke aber, dass da sicherlich auch Empfehlungen von Seiten Kindergarten oder Schule kommen würden. Die Beschreibungen, die ich bisher über ADHS gelesen habe, treffen bei ihm teils zu, teils auch nicht. Die Hyperaktivität hat er sicherlich, allerdings kann er z.B. bei Puzzles, Bügelperlen, Bänder knüpfen oder solchen Dingen ewig bei der Sache sein und sich gut konzentrieren. Einfach so Situationen wie das Anziehen im Kindergarten, da hat er Mühe, weil er sich leicht durch die anderen ablenken lässt. Hochsensibilität hat er auch gewisse Züge, einerseits Geräusche, die ihn nerven, andererseits kann er gewisse Lebensmittel nicht riechen bzw. läuft vom Tisch, wenn jemand von uns etwas isst, das er nicht mag (und das ist so Einiges...).
Ich werde es sicher auf dem Radar behalten oder mich mal noch besser einlesen. Kannst du denn bestimmte Bücher empfehlen?
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ChrisBern
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Re: Gefühlsstarke Kinder

Beitrag von ChrisBern »

Apropos: das mit dem riechen ist so anstrengend! Sohn schmeißt uns das ganze Abendessen, wenn Bündner Fleisch, Käse und Co auf dem Tisch steht. Fischstäbchen gehen aber ohne Probleme, das soll jemand verstehen.

Mein Sohn kann sich auch stundenlang vertiefen, da kommt wieder diese Sturheit zum Tragen.

Joeyita
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Re: Gefühlsstarke Kinder

Beitrag von Joeyita »

ChrisBern hat geschrieben: Mo 22. Nov 2021, 13:15 Apropos: das mit dem riechen ist so anstrengend! Sohn schmeißt uns das ganze Abendessen, wenn Bündner Fleisch, Käse und Co auf dem Tisch steht. Fischstäbchen gehen aber ohne Probleme, das soll jemand verstehen.

Mein Sohn kann sich auch stundenlang vertiefen, da kommt wieder diese Sturheit zum Tragen.
Du sagst es! Käse geht bei ihm gar nicht, in keiner Form. Und am empfindlichsten ist er bei Spiegeleiern, da rennt er wirklich :shock: :roll:
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Yoghurt
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Re: Gefühlsstarke Kinder

Beitrag von Yoghurt »

Wie naura schon gesagt hat, würde ich ADHS und auch ASS auf jeden Fall im Fokus behalten. Das Vertiefen ist für beides typisch, sog. Hyperfokus. Das als Sturheit abzuqualifizieren… :?

Joeyita
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Re: Gefühlsstarke Kinder

Beitrag von Joeyita »

Danke Yoghurt, werde ich auf jeden Fall. ASS kann ich mir allerdings wirklich gar nicht vorstellen. Er ist ziemlich extrovertiert, steht hin und sagt was er möchte. Auch hat er sehr viele Sozialkontakte und verabredet sich gerne mit Freunden. Ich habe einen bekannten Jungen mit ASS, von daher kenne ich es auch ein wenig.
Das Konzentriertsein würde ich auch nicht mit Sturheit in Verbindung bringen, wenn dann mit Ehrgeiz.
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ChrisBern
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Re: Gefühlsstarke Kinder

Beitrag von ChrisBern »

Bei meinem Sohn hat es wirklich eine sture Komponente, er lässt dann einfach nicht locker. Ich wollte das gar nicht "abqualifizieren", im Gegenteil, ich finde Sturheit toll (ich selbst habe das gar nicht und gebe viel zu schnell auf bzw nach). Ich finde es als Mutter einfach anstrengend, wenn ich ihm das 100. Mal am Tag lord garmadon von den Ninjagos auf dem Telefon zeigen muss und er nachfragt, ob man die Figur wirklich wirklich wirklich nicht bestellen kann und ob ich das nicht doch doch einmal googeln könnte...uff.

Das Wort Hyperfokus recherchiere ich gerne mal, das kannte ich nicht.

ASS kann ich mir auch gar nicht vorstellen, mein Sohn ist sehr sozial, hat viel Sinn für Ironie, hat auch nicht die typischen Anzeichen als Säugling gezeigt. Das würde mich jetzt unglaublich wundern. ADS schon eher, meine beiden Kindern sind eher Träumer.

annegretli74
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Re: Gefühlsstarke Kinder

Beitrag von annegretli74 »

Hallo zusammen!
Mein mittlerer Sohn gehört definitiv zu den gefühlsstarken Kindern. Er ist mittlerweile 10, und einige Sachen sind besser geworden (Selbstregulierung), andere Dinge nicht wirklich.
Nach wie vor ist es für ihn ganz schlimm, wenn etwas nicht so läuft wie er es sich im Voraus vorgestellt hat. Oder noch schlimmer, man hat etwas besprochen und kann es dann nicht wie geplant umsetzen. Da reagiert er total extrem und rationale Gründe, weshalb man z.B. diesen Ausflug nicht machen konnte, kommen gar nicht an.
Ein anderes grosses Thema sind nach wie vor Geräusche beim Essen. Seit einigen Wochen trägt er einen Pamir, damit er die Essgeräusche nicht mehr so aufnimmt. Gerüche nimmt er zwar auch stark wahr, aber es stört ihn nicht besonders.
Früher konnte er locker 1-2 Stunden irgendwo vor sich hin müffeln und gar nichts half. Jetzt gehts immerhin meistens nur so 15 Minuten.
Trotzdem werden auch wir mit dem "Vorwurf" konfroniert, er sei emotional nicht altersgerecht entwickelt (und ja auch manchmal wir würden ihn zu wenig streng erziehen).
Wir haben ihn bereits zweimal abgeklärt - er ist überdurchschnittlich intelligent (nicht HB) und es wurde kein ADHS diagnostiziert.

Was bei uns hilft: verbindliche Regeln für alle, spezielle Abläufe im voraus gut absprechen, viel Bewegung und viele, viele, viele Gespräche darüber wie es ihm geht, was ihn gerade beschäftigt etc.

Joeyita
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Re: Gefühlsstarke Kinder

Beitrag von Joeyita »

Danke annegretli74, das macht doch auch etwas Mut, dass es irgendwann bessert :wink: .

Habt ihr die Abklärungen auf Anregung der Lehrkräfte gemacht oder von euch aus? Wie läuft es bei ihm in der Schule? Mein Sohn kommt nächstes Jahr in die Schule und ich blicke dem Schulstart sowohl mit Freude als auch mit Respekt entgegen. Gerade das Thema Hausaufgaben, dass er etwas erledigen muss, worauf er keine Lust hat, könnte herausfordernd werden.

Das mit den Regeln ist so eine Sache. Wir haben beispielsweise die Abmachung seit einer Weile, dass ich abwechselnd einen Abend bei ihm, den andern Abend bei seinem Bruder im Bett bin beim Einschlafen. Das weiss er und das machen wir so. Aber er tut sich enorm schwer damit und kann dann trotzdem am Abend 15min das Haus zusammenschreien, weil ich jetzt nicht bei ihm bin...
Stolzes Buebemami - November 2015 und März 2018

annegretli74
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Re: Gefühlsstarke Kinder

Beitrag von annegretli74 »

Die erste Abklärung machten wir (von uns aus), da es mit dem Sauberwerden nicht richtig klappte. Auf gut deutsch: mit 4 Jahren begann er einzukoten. Leider sind wir da aufgrund falscher Diagnose "falsch abgebogen" und erst nach über 1,5 Jahren wurde festgestellt, dass er an chronischer Verstopfung leidet.
Die zweite Abklärung machten wir (auch von uns aus) als er in der zweiten Klasse war, aufgrund von auffälligem Verhalten in der Schule. Herumfluchen, Sachen herumwerfen, schreien - aber auch sich unter den Pult legen, komplette Verweigerung über teilweise die ganze Lektion.
Seit der dritten Klasse ist es besser geworden, da sich die Lehrpersonen auch wirklich Mühe geben, ihn so zu nehmen wie er halt ist. Setzt man Druck auf, verweigert er total. Oft hat er dann Schularbeiten zerrissen oder zerkritzelt, auch zu Hause beim Hausaufgaben machen.
Er ist grundsätzlich ein sehr guter Schüler, hat aber grosse Mühe mit Arbeiten, die ihm nicht gefallen oder ihn langweilen. Und ja, Hausaufgaben sind und bleiben ein schwieriges Thema. Er sieht halt keinen Sinn darin, Hausaufgaben zu erledigen wenn er den Stoff schon laaaange verstanden hat.

Generell kann ich sagen, dass er immer noch sehr viel emotionale Unterstützung braucht. Wir erzählen unseren Kids nach wie vor eine Gutenachtgeschichte, das ist unheimlich wichtig. Kriegt er mal keine, kann er fast nicht einschlafen.

Ich hoffe es kommt jetzt nicht zu negativ rüber. Er ist ein toller Junge, wird aber immer ein anspruchsvolles Kind bleiben. Aber ich denke auch wenn er mal seine Leidenschaft zum Beruf machen kann, wird er es absolut toll machen und glücklich sein.

Timia
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Re: Gefühlsstarke Kinder

Beitrag von Timia »

.
Zuletzt geändert von Timia am So 14. Aug 2022, 21:46, insgesamt 1-mal geändert.

Mialania
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Re: Gefühlsstarke Kinder

Beitrag von Mialania »

Also, halbe Stunde Brüllen geht hier auch. Gemäss Logopädie soll ich das nicht mehr zulassen, sondern eben trösten. Auf Augenhöhe. Er könne sich noch nicht selber regulieren und ich müsse sein Mittelhirn trösten.
Ist aber auch eine Herausforderung, wenn man dann teilweise gebissen wird...

Seine Sturheit hat er aber sicher von uns geerbt.

@Joeyita
Ich habe einfach festgestellt, dass man es einfach niemandem Recht machen kann. Es ist alles falsch. Bin sehr gespannt, wie mein Sohn dann spricht resp. was er für einen Wortschatz haben wird und wann er endlich den Knopf aufmacht und zu reden beginnt. Gemäss dem Früherziehungsdienst sind ja die 20 Worte für einen 3.5jährigen unterirdisch. Die Ergotherapeutin hingegen fand es dann nicht ganz so, aber ja. Sie sagte mir auch, dass ich gedanklich das ja in Ordnung finde, aber mich durch alle Leute so verunsichern lasse, dass ich gefühlsmässig dann doch nicht sicher bin. Das Umfeld stresst mich dann eben doch auch am Meisten.

Er ist mein ältestes lebendes Kind. Ich weiss nicht, wie ernst ich alles nehme soll, wie fest ihn der Tod von seinem Bruder in meinem Bauch tangiert hat. Oder meine Trauer etc. Ich kann ehrlich gesagt auch nicht wirklich urteilen, was er in seinem Alter können oder nicht können muss.
Ich kann nur mutmassen, dass nicht alle dreijährigen eine Aluklappleiter an meine Terrasse tragen und aufstellen können und sie dann auch hochklettern. Erwarte dann aber irgendwie auch, dass er mir beim raus gehen seine Socken bringen könnt. Bringt mir aber x andere Sachen, nur keine Socken. Aber ob das normal ist, dass er er beim Sauerei am Esstisch aufwischen, das Glas aussen am Boden auch abwischt, das kann ich dann eben nicht wirklich beurteilen. (Ich fand das normal, scheinbar ist es das nicht.)

Seine Entwicklung sei heterogen, ASS Züge seien vorhanden, aber es sei noch zu früh.
Seit die Logopädie angefangen hat, ist er für mich teilweise unberechenbar geworden. Mal ist er zum kleinen Bruder wie ein Engel und dann schubst er ihn vom Couchtisch, dass ich ihn während dem Salto rückwärts noch auffangen konnte. Und in der ersten Stunde Ergotherapie macht er Sachen, von denen ich erwartet hätte, dass er sie gar nicht versteht.

Mein Sohn kann problemlos im Mist wühlen, einem Auspuffrohr rumfingern und sich dann die Finger abschlecken. Aber beim Essen mit dreckigen Fingern aus seinem Wasserglas trinken? Bitte die Hände waschen! Das macht mich teilweise wahnsinnig, wenn er nach jedem Bissen das Essen mit den Fingern fertig rein schieben muss und mir die Hände zum abwischen hin hält.

Und wenn er hochkonzentriert still ist, macht er zu 99% etwas, was er nicht sollte... Er hat auch so eine Art von "was nicht passt, wird passend gemacht". Wenn nicht von ihm, dann bitte von jemandem anderes. Auch, wenn's nicht geht. Im schlimmsten Fall über Tage hinweg. Bis ich es dann selber zu gehen mache, dass es Ruhe gibt.

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ChrisBern
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Re: Gefühlsstarke Kinder

Beitrag von ChrisBern »

Die ganzen Hinweise auf ADHS und ASS sind ja nett gemeint...aber ehrlich gestanden haben die alle, die sich mit dem Thema belesen haben, auch schon gelesen (die Bücher so spirited children haben dazu ja auch Kapitel). Ich spreche jetzt nur für mich, aber ich fände einen Austausch und Tipps und Erfahrungen nett. Ich kann nicht jetzt schon prophylaktisch "ventilieren", ob mein Sohn eventuell doch was anderes hat. Aktuell lebe ich gut mit der Info, dass er nicht ganz der "Norm" entspricht und die pseudodiagnose spirited children hilft zumindest mir. Falls später noch was anderes auftaucht, werde ich mich damit befassen, wenn es soweit ist. Probleme löse ich dann, wenn sie auftauchen. ;-)

Also, gerne wieder zurück zum Thema: Was hilft euch? Was sind Hauptbrennpunkte?
Ich wünsche zumindest allen gute Nerven!

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