Erfahrungen mit kleinen Kindern mit (V.a.) HB, Mamis mit HB

Allgemeine Themen ab dem 2. Lebensjahr

Moderator: conny85

crookshanks
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Re: Erfahrungen mit kleinen Kindern mit (V.a.) HB, Mamis mit HB

Beitrag von crookshanks »

@Petite Souris:

Ich glaube, wenn man soweit "gut durch's Leben" kommt, also auch durch die Schule, spielt das überhaupt keine Rolle, ob man (oder das Kind) nun hb ist oder nicht. Ich habe einfach damals die Erfahrung gemacht, dass ohne "Diagnose" gar nichts ging, kein Verständnis da war und erst recht kein Engagement. Ich denke auch, wenn eine LP die Kapazität hat, die sie haben sollte, um auf jedes Kind soweit eingehen zu können, dass es seinem individuellen Entwicklungsstand entsprechend gefördert werden kann, reicht das völlig aus. Das wäre wohl der Idealzustand, wie bereits von jemandem angesprochen, aber ob das in der Realität so oft vorkommt...? Aber umso schöner, dass es bei dir so war, dass du gut durchgekommen bist, abgesehen von der PH! :)

Ich glaube, mir ging es halt mehrheitlich so wie dir an der PH. Schulisch fiel mir vieles sehr leicht, viele Themen wurden für mein Empfinden quasi endlos hin und her und rückwärts und vorwärts durchgekaut, es wurde unheimlich Zeit verplämperlet damit, und die Aufträge für zu Hause mussten dann ja trotzdem in der Freizeit gemacht werden. Gleichzeitig war es eben nicht permanent so, dass ich nichts tun musste, und es fehlte komplett das Verständnis der LPs wie auch der Mitschüler. Wenn ich doch so gescheit sei, dann müsste mir das ja klar sein. Sei doch froh, dass es dir so leicht fällt, so etwas ist doch ein Geschenk und kein Problem. Ich wünschte, mir ginge es so gut wie dir. Und wie es mir wirklich ging, hat keiner gemerkt. Selbst von HB-Spezialisten wurde mir gesagt, wie gut es mir doch gehe, andere mit HB hätten diverse psychische Probleme deswegen etc. Da hatte ich schon einige Jahre eine Essstörung, die keiner bemerkt hatte. Ich hatte einfach immer das Bedürfnis, dazu zu gehören, normal zu sein, nicht aufzufallen, aber zugleich schaffte ich das niemals, egal was ich tat. Ich war immer irgendwie anders und empfand mich als störend. Das mit dem Zugehörigkeitsgefühl, bzw. dem Fehlen davon, das permanente Gefühl von anders-und-nicht-ganz-richtig-Sein, habe ich nach wie vor, ich glaube, das wird mich wohl immer begleiten.


@Malaga:

Du hast mich bei dem Thema tatsächlich zum Grinsen gebracht mit deinem Satz zum EHK… 8) Danke dafür!

Respekt für deinen Sohn. Dass er das nicht als erstrebenswert anschaut, mit 20 Professor zu sein, sondern so realistisch fragt, was das denn bringe. Finde ich echt toll! Auch mit den Konsequenzen resp. dem Überschreiten von Grenzen, da funktioniert er halt anders, aber es scheint gut zu funktionieren.

Das mit dem «anders anstrengend» kommt mir sehr bekannt vor. Das war bei unserem Kind irgendwie immer schon so. Und mittlerweile kommt so oft von jemandem, der zu Besuch ist oder uns sonstwie mitbekommt, die Rückmeldung «Das isch aber scho sträng mit üchem Chind» - und zwar in Momenten, die wir als sehr entspannt und harmonisch empfinden! Fordernd ist es halt immer… ;)


@Fiona:

Vielen herzlichen Dank fürs Teilen deiner Erfahrung und fürs Raussuchen der Liste! <3 Ich erkenne mich da in sehr vielen Punkten wieder und habe mir beim Durchlesen so gedacht, vielleicht hätte ich mich in den letzten 10, 15 Jahren mehr mit meiner eigenen HB auseinandersetzen sollen statt einfach so tun, als gäbe es sie nicht. Hätte mir vermutlich einige Dinge erleichtert… Darf ich fragen, wie du es geschafft hast, dein Anderssein zu akzeptieren? Wie ich oben geschrieben habe, stehe ich an dem Punkt nach wie vor oft an. Ich möchte es lieber nicht wahrhaben, aber da die ganze Thematik nun bei unserem Kind aktuell zu werden scheint, muss ich mich ja zwangsläufig wieder damit auseinandersetzen.

Deine Tochter hat vielleicht schon ein Stück weit einen Vorteil, dass du selber hb bist: Die meisten Eltern von Kindern mit Gymi-Potenzial sähen das wohl überhaupt nicht so locker, wenn das Kind lieber eine praktische als eine akademische Karriere anstrebt… ;) Aber ja, ich kann deine Sicht absolut nachvollziehen und würde das sofort mit unterschreiben: Ich würde mir für meine Kinder auch keine HB wünschen. Einfach normal, meinetwegen so ein bisschen drüber, aber im Rahmen. Dass sie nie die Erfahrung des permanenten nicht-dazu-Passens machen müssen. Es tut mir echt weh, wenn ich unserem Kind ansehe, was es teilweise für innere Konflikte zu erleben scheint («ich würde gern mit den grösseren Kindern spielen – die wollen mich nicht dabei haben, weil ich zu klein bin – aber ich weiss / kann ja gleich viel wie sie», so in dem Stil).

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naura
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Re: Erfahrungen mit kleinen Kindern mit (V.a.) HB, Mamis mit HB

Beitrag von naura »

@kleine Kinder
Bei uns war es so, dass Meite schon früh ungewöhnlich starkes Interesse an Schreiben, Lesen und Rechnen etc. hatte. Sie wurde daher auch sozial/emotional eher unreif mit 4 in den Kindsgi/6 in die Schule geschickt von mir. Im Nachhinein weiss ich nicht ob es schlau war. Sie kam mit den Gspänli nicht zurecht. Schulisch musste sie sich nie anstrengen, aber der Rest hat sie ausreichend beschäftigt, so dass ich eigentlich froh war wie es war. Sie hat sich während der Primarschulzeit privat zusätzlich mit Projekten etc. beschäftigt und hatte immer grosse Freude an individuellen Arbeiten.

@Fiona
Ich beschäftige mich momentan stark mit ADHS bei Erwachsenen... ich lese in deiner Liste viel wieder, was ich dort auch lese. Ich erkenne bei beiden Themen (ADHS und HB) viele Parallelen zu mir, habe aber meinen Weg auf andere Arten so gut gefunden, dass ich kein Bedürfnis verspüre irgendwas abzuklären/auf andere Art anzugehen, wie ich das heute mache.
Ich möchte aber noch erwähnen, dass bei beidem auch viele Parallelen zum Thema Trauma/Entwicklungstrauma gemacht werden können - dies ist der Bereich mit dem ich mich stark beschäftige seit einigen Jahren und auch eine Ausbildung mache nun.

@meine Tochter
Bei ihr wurde eine Abklärung gemacht in der 5. Klasse. Am meisten Leidensdruck kam bei ihr durch die sozialen Probleme.
Sie ist dann aber durchs Raster gefallen, weil sie durch eine Geschichte in der früheren Kindheit (chronische Paukenergüsse) die auditive Wahrnehmung nicht gut ausgeprägt hat, in diesem Bereich war sie im unteren Durchschnitt. Alle anderen Bereich waren über/teils weit über Durchschnitt. Aber wegen diesem einen Punkt, hat sie dann auch an keinem Förderprogramm teilnehmen können.
Ihre auditive Wahrnehmung wird nun je tiefer/breiter der Stoff ist (9. Klasse) desto mehr zu einem Thema. Seit Schulbeginn nimmt sie wenig vom Unterricht mit, eigentlich könnte sie sich den grösstenteils sparen.. sie ist immer noch gut in der Schule, muss aber dafür halt viel nacharbeiten von dem, was sie wiedermal nicht so richtig mitgekriegt hat im Unti. Eine ADHS-Abklärung steht auch immer noch im Raum, es passt aber auch bei ihr wieder vieles nicht..

Übrigens die sozialen Probleme sind in der Oberstufe (ab 7. Klasse wird bei uns erst aufgeteilt) durch die Abstufungen total weggefallen. Da waren dann plötzlich viele gut in der Schule und hatten ähnliche Interessen/Niveau etc.. inzwischen hat sie durch ihr Potenzial und ihre Reife auch neben der Schule viele interessante Nebenschauplätze (Politik, Klimajugend etc.).. trotzdem sind wir am überlegen, ob es für ihre Matur allenfalls einen anderen Weg gibt, als den klassischen Frontalunterricht. Ich denke für viele HB oder Teil-HB wäre es ein grosser Gewinn, wenn ein individuellerer Unterricht möglich wäre. Die 8 Wochen Lockdown waren für mein Kind z.B. der absolute Knüller. Ich hätte mir mehr davon gewünscht.
mit Meite (07)
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Wir sind da um zu strahlen, wie es die Kinder tun.
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Sternli05
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Re: Erfahrungen mit kleinen Kindern mit (V.a.) HB, Mamis mit HB

Beitrag von Sternli05 »

Ich habe kein HB Kind, unser Autist hat einfach eine Nischen Begabung. Es ist sehr interessant was ihr schreibt.

Gibt es keine Schulen für HB Kinder in denen sie individuellen Unterricht erhalten? So wie es Schulen für „Problem Kinder “ gibt? Im Prinzip sind doch HB Kinder an einer „normalen“ Schule auch am falschen Platz. Sie würden sich im Schulumfeld mit anderen HB vielleicht auch sozial leichter tun und sich nicht dauernd anders fühlen. Das hat mich gerade bewegt und ich kann es nachvollziehen.
Als unser Sohn in die spezielle Schule kam war das eine Aussage von ihm, jetzt ist er nicht mehr anders.

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Petite Souris
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Re: Erfahrungen mit kleinen Kindern mit (V.a.) HB, Mamis mit HB

Beitrag von Petite Souris »

Es gibt viele solcher Schulen. Zum Teil "normale" Schulen, welche auf individuelles Lernen umgestellt haben, oder dann Privatschulen wie z. B. die "SBW".
Aber auch dort ist es schwierig, dies gut umzusetzen. Auf dem Papier klingt es noch schnell gut.
Und sonst fehlen oft einfach die Ressourcen. Ich möchte gerne individuell unterstützen, aber die Zeit geht einfach so schnell vorbei. Bei meiner 14er Klasse habe ich dies ganz gut hingebracht, jetzt haben wir aber eher 20er - 26er Klassen. Ich merke einen riesen Unterschied, es wird viel schwieriger, die Bedürfnisse zu erkennen, bzw. ihnen nachzukommen.

Schade ist, dass man sich anpassen möchte, diesen Drang verspüre ich leider auch oft, bin aber durch meine Eltern immer wieder angegalten worden, meinen Weg zu gehen. Das hat mir wahrscheinlich schon auch sehr geholfen.

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Re: Erfahrungen mit kleinen Kindern mit (V.a.) HB, Mamis mit HB

Beitrag von Malaga1 »

Solche Schulen gibt es schon, z.B. die Talenta in Zürich. Das ist aber eine Privatschule. Ich weiss jedoch von einigen Kindern, deren Schulgeld von der Wohngemeinde bezahlt wird, da es in der öffentlichen Schule einfach nicht mehr ging. Das ist aber eine freiwillige Leistung der Gemeinde. Es gab mal ein Bundesgerichtsurteil, das festhielt, dass die öffentliche Hand nur für eine "ausreichende" Schulbildung (oder so ähnlich...) sorgen muss. Eine Schule für Hochbegabte gehört da nicht dazu. Zurzeit ist eine Volksinitiative "Für Bildungsgerechtigkeit" in Arbeit, die dieses Manko beheben soll https://www.bildungsgerechtigkeit.ch/ Leider hat sie sich wegen Corona recht verzögert.

Ich bin auch der Meinung, dass "aus dem Rahmen fallen" für Kinder schwierig ist - auf welcher Seite auch immer. Die Ressourcen fliessen dann meistens vornehmlich in die schwachen Kinder, was ich durchaus nachvollziehen kann. Ich glaube, wenn man kein solches Kind hat, kann man sich nicht vorstellen, dass auch diese in der Schule leiden. Was ich aber wirklich sehr schlecht finde ist, dass Hochbegabung weder in der Lehrerausbildung noch in der Ausbildung zur Heilpädagogin ein Thema ist. Die Fachpersonen müssten darüber eindeutig mehr wissen. Ich bin aber nicht der Meinung, dass man alle hochbegabten Kinder separat beschulen muss. Etwas mehr Ressourcen und etwas mehr Kenntnisse über diese Phänomen würde schon sehr viel bringen. Mein Sohn hat mal in der Talenta geschnuppert und fand es furchtbar - warum weiss ich bis heute nicht so genau. Er wollte einfach bei uns im Dorf in die Schule wie alle anderen auch. Das funktioniert auch ganz ok - er hat einfach sehr viel Zeit zum Blödsinn machen, weil es bei ihm absolut reicht, mit halbem Hirn bei der Sache zu sein. Ich ertrage die Telefone und E-Mails seines Lehrers mittlerweile stoisch - die kommen mal mehr, mal weniger. Meinem Sohn habe ich klipp und klar gesagt, dass es so ist wie es ist, wenn er keine Veränderung will. De Foifer und s'Weggli gibt es halt nicht im Leben. Er will nun an die Gymiprüfung und ich bin gespannt wie er das packt. Sich mal anstrengend müssen kennt er eigentlich nicht. Allerdings ist er auch sehr ehrgeizig und er hat schon gecheckt, dass er jetzt einen Zacken zulegen muss.
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Re: Erfahrungen mit kleinen Kindern mit (V.a.) HB, Mamis mit HB

Beitrag von ausländerin »

Es gibt ja Talenta in Zürich und Basel, Talentia in Zug und sicher was ähnliches auch in anderen Grossstädten die für HB Kinder geöffnet wurden. Alle verlangen ein IQ 130+ und kosten um 25000 pro Jahr. Gemeinden übernehmen nur als grosse Ausnahme die Kosten, die Städte übernehmen die Kosten nicht weil sie aus ihren Sicht genug für HB Kinder tun.
Wir haben uns Talenta angeschaut und auch viel umgehört, leider waren auch schlechte Rückmeldungen dabei. Für uns ist es immer noch eine Notfall Option - wenn es in Primär nicht OK gehen würde. Momentan läuft aber gut.
Mein Beitrag hat sich mit dem von Malaga überkreuzt.

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Petite Souris
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Re: Erfahrungen mit kleinen Kindern mit (V.a.) HB, Mamis mit HB

Beitrag von Petite Souris »

Malaga, solchen SuS wie deinem Sohn begegne ich immer wieder, und dies, obwohl ich eher die tiefen Niveaus unterrichte. Oftmals kombiniert mit, ich schreibe nichts auf, lerne auf keine Prüfung, beteillige mich am Unterricht nur sporadisch (dann dafür mit guten Beiträgen) und beschäftige mich mit irgendetwas anderem und schreibe dann trotzdem genügende bis gute Noten.
Für die LP mühsam, vor allem, weil dann eben alles notiert und besprochen werden müsste. Es ist schade, dass diese Kinder oft aufgrund ihres Verhaltens dann auch noch in den tiefen Nieveaus landen, da ist weitere Störung vorprogrammiert. Mir hilft akzeptieren und unbürokratisch machen lassen. Eine Stufenwechsel würde wahrscheinlich helfen, aber wie begründet man diesen, wenn der Schnitt nur bei einer 4.5 liegt? Oftmals wollen die SuS auch gar nicht mehr anders, es ist ja gemütlich ohne Aufwand und sie wissen ja, wie sie sich Beschäftigung holen können.
Dann gibt es diejenigen, die während des Unterrichts zeichnen oder sich anders ruhig beschäftigen. Zu denen gehörte ich auch. Stören nicht und für sie ist es wahrscheinlich auch ok.
Problematisch wird es dann, wenn es ist wie bei dir crookshanks. Wenn man beginnt zu leiden, die Unterforderung einem so stark langweilt, aber man genau weiss, die Hausaufgaben müssen dann trotzdem noch erledigt werden, etc.
Was hätte dir dann geholfen? (Ich hoffe es ist ok, wenn ich gleich etwas Weiterbildung betreibe, da es ja eben noch viele gibt, die unterfordert sind, egal ob HB oder nicht)
Ich offeriere "meinen" SuS jeweils, die Zeit für Prüfungsvorbereitung zu nutzen, auch in anderen Fächern. Oder eben Hausaufgaben zu erledigen. Wenn sie Ideen haben, dürfen sie auch an etwas anderem arbeiten. Oder dann Zusatzaufgaben lösen, aber diese stossen meistens nicht auf grosse Begeisterung.
Deshalb bin ich froh, um weitere Ideen, bzw. Herangehensweisen.

Labskaus
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Re: Erfahrungen mit kleinen Kindern mit (V.a.) HB, Mamis mit HB

Beitrag von Labskaus »

Ich weiss nicht, ob mein Mann und/oder ich hb sind. Wir wurden beide nie getestet, sind aber definitiv überdurchschnittlich Intelligent und wahrscheinlich mindestens im mathematischen Bereich begabt. Unsere Tochter ist jetzt 3 3/4 und ist kognitiv auch viel weiter als ihre KiTa Freunde. Ich finde es sehr schade, wenn ich hier und an anderen Orten lese, wie sehr ihr selbst oder eure Kinder gelitten haben bzw. noch leiden müssen. Es macht mir auch etwas Angst, wenn ich an die Zukunft unserer Tochter denke.

Mein Mann und ich sind beide in Deutschland zur Schule gegangen und hatten wohl wirklich Glück, dass wir auf einem sehr homogenen und sehr snobistischen Gymnasium waren, auf dem gute Noten und Leistung nichts ungewöhnliches bzw. sehr erwünscht waren. Wir hatten einige Leute im Jahrgang, die eine Klasse übersprungen hatten und auch einige, die bei „Jugend forscht“ im nationalen Finale waren. Mein Mann hat eine Klasse übersprungen, ich hätte früher eingeschult werden und mehrfach eine Klasse überspringen können, wollte aber nie, da ich bei meinen Freunden bleiben wollte.
Mathe ist mir immer extrem leicht gefallen, aber ich hab auch das Talent, Mathe anderen zu erklären zu können und verständlich zu machen. Ich habe mir früher selbst Matheaufgaben ausgedacht, die Lösungen mit ein paar Tipps aufgeschrieben und diese für alle in meiner Klasse kopiert. Mir hat das extrem Spass gemacht und die anderen haben von den Übungsarbeiten beim Lernen auf die Prüfungen sehr profitiert. Ich hatte zwar bei einigen den Spitznamen „Mathegenie“, aber wurde deshalb nie ausgegrenzt, eben weil ich den anderen geholfen habe. Später habe ich mein Taschengeld aufgebessert und Nachhilfe gegeben.

Unsere Tochter geht in eine private KiTa, die auf dem Campus der Hochschule ist, d.h. die Kinder dort kommen alle aus Familien, bei denen mindestens einer an der Hochschule arbeitet und meistens ist auch mindestens einer der Eltern kein Schweizer. Aufgrund dieser anspruchsvollen „Kundschaft“ wird extrem viel Wert auf Förderung gesetzt. Unsere Tochter ist jetzt in der „Vorvorschule“. Dort ist der Tag einfach schon strukturierter als in der KiTa und Buchstaben, Zahlen usw. werden spielerisch näher gebracht. Letzte Woche hat jedes Kind individuell mit einer Betreuerin Zählaufgaben gemacht, jedes auf seinem Niveau.
Unsere Tochter liebt die „Vorvorschule“. Als sie noch in der „normalen“ KiTa war, konnte ich beobachten, dass sie ihre Fähigkeiten mehr versteckt hat und angepasster war. Sie malte z.B. seit sie 2 ist Kopffüssler, in der KiTa hat sie aber nur typisches Gekrakel (wie die anderen Kinder) auf das Papier gebracht. Seit sie 3 ist, kann sie ihren Namen schreiben, in der KiTa macht sie das erst, seit sie in der „Schule“ ist. Die „normale“ KiTa hat schon ein ganz, ganz tolles Programm gemacht und trotzdem hat sich unsere Tochter zurückgehalten…

ausländerin
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Re: Erfahrungen mit kleinen Kindern mit (V.a.) HB, Mamis mit HB

Beitrag von ausländerin »

Ich denke dass in der Schweiz die Leistung bei Kindern nicht erwünscht ist, oder nicht gerne gesehen wird, schon fast auf unbewusster Ebene. Was habe ich schon alles Gehört mit dem ich Mühe hatte "lass die Kinder Kinder sein" ist die Krönung davon. Meine Tochter wollte nie ein Kind sein. Oder die Böse Bemerkungen über die alle ehrgeizige Eltern die ihre Kinder nur in Gymi haben wollen. Ich bin so ähnlich wie Labskaus in einer Leistungsumgebung aufgewachsen. Und ich war unglaublich froh und dankbar dass den Ziel - an der Uni zu kommen - so ziemlich klar von Anfang war. Egal was studieren - hauptsächlich Hochschulabschlüss an einem Staatlichen Universität (nicht privatem, da meine Eltern hatte keine Geld, und nur staatlichen Unis waren kostenlos). Dadurch war alles kein Problem - früheres Start in der Schule, Wechsel an eine Leistungsschule usw. Ich war mehr mit meinen Hobbies beschäftigt als mit der Schule, habe auch erst viel später gelernt zu lernen - aber ich war ziemlich herausgefordert trotz Zeitmangel. Begriff HB gibt es in meiner Muttersprache gar nicht. Neben der Studium habe ich noch gearbeitet - freiwillig und ehrenamtlich in Forschung und als Assistentin und als Ghostwriter um Geld zu verdienen. Also - langweilig war es nie - ich habe mir aber den Druck oft selbst gemacht - diese ganze externe Arbeit war nicht nötig - ich habe es aus Spass an der Arbeit gemacht.
Meine Tochter hat auch diese Tendenz viel in parallel machen zu wollen und am besten Konzentrieren zu können und Leistung zu bringen unter Druck und in den letzten Moment. In der Schule erlebt sie aber diese Momente gar nicht. Sie wird nicht herausgefordert, oder an den Grenzen gebracht. Ich finde eigentlich schön dass die Kinder nicht dem Stress ausgesetzt sind. Aber ich merke dass meine Tochter das irgendwie braucht - oder sie holt es sich dann zu Hause, oder in ihrem Leistungssport ab.

Malaga1
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Re: Erfahrungen mit kleinen Kindern mit (V.a.) HB, Mamis mit HB

Beitrag von Malaga1 »

@Petite Souris: Mein Sohn ist ein sehr guter Schüler - nix mit tieferen Niveaus. Er macht auch, was er muss, aber keinen Streich mehr. Das reicht für gute bis sehr gute Noten. Die sehr guten Noten erzielt er in den schwierigeren Prüfungen, die guten in den einfachen - schnell hinschludern und fertig. Nun will er ans Gymi, macht ein Minibiz mehr als das Nötigste und gibt sich ein bisschen mehr Mühe: et voilà - die schlechteste Note war bis jetzt eine 5.75. Er ist auch vom Verhalten her kein untragbarer Saugoof - aber halt ein Lausbub, der es faustdick hinter den Ohren hat. Ich habe manchmal das Gefühl, dass diese Kombi seinen Lehrer reizt: Sehr gut in der Schule, aber trotzdem für jeden Blödsinn zu haben, überall die Finger drinn etc. Er ist auch der Meinung, dass wir unseren Sohn nicht richtig erziehen. Soll er - da verweigere ich mittlerweile die Diskussion. Unser Sohn sagt, es sei egal, ob er sich Mühe gebe oder nicht Es sei sowieso nie recht. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir die Kreuzchenseite im Zeugnis nicht nehr anschauen

@was hilft gegen die Langeweile: Mein Sohn darf während der Schule in den Musikunterricht - meist ist da Mathe oder Deutsch. Dann muss er speziell in der Mathe nie alles lösen, sondern nur so viel, wie er für nötig hält. Auch wenn es heisst "50 min Matheufzgi" macht er das nie - 15 min wenn es hochkommt. All das ist aber nur ein Tropfen auf den heissen Stein Allerdings ist das der Punkt, wo ich finde, dass mein Sohn auch selber verantwortlich ist für seine Situation. Er will keine Pullout-Angebote. Ok - akzeptiere ich, aber dann muss er halt in der Schule durch die langweiligen Stunden durch. Am allerbesten für ihn war übrigens der Halbklassenunterricht nach dem Lockdown: viel weniger Schule, dafür mehr Ufzgi, die er schnell erledigte, und viel mehr Freizeit.
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Re: Erfahrungen mit kleinen Kindern mit (V.a.) HB, Mamis mit HB

Beitrag von Sternli05 »

Ich sehe das ist schwierig. Danke für eure Antworten. Wir könnten uns eine Privatschule nicht leisten. Bei uns zahlt der Kanton diese Schule damit mein Autist beschickt werden kann. Er ist weder Hochbegabt noch schwach, einfach anders als von der Gesellschaft gewünscht. Er läuft immer Barfuss, was für alle Schulen ein mega Problem ist. 😁
Aber egal wo sie aus dem Rahmen fallen, wichtig ist doch immer das es ihnen psychisch gut geht.

Drag-Ulj
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Re: Erfahrungen mit kleinen Kindern mit (V.a.) HB, Mamis mit HB

Beitrag von Drag-Ulj »

Malaga1 hat geschrieben: Mo 4. Okt 2021, 21:28 Fördermassnahmen lehnt er kategorisch ab. Er will in seiner Freizeit seine Freiheit, die am liebsten mit seinen Kumpels im Dorf verbringt (Fussball spielen, Trampolin, Nerfschlachten...). Ich will damit sagen, dass sich eine Hochbegabung nicht immer oder nur in frühem Lesen etc. ausdrückt. Gerade der Drang zur Unabhängigkeit ist charakteristisch für HB-Kinder und macht es oftmals in der Schule nicht einfach. Kommt dazu, dass mein Sohn absolut nicht manipulierbar ist. Strafen etc. nützen bei ihm schlicht nichts. Auch das ist der Schule nicht ganz einfach zu vermitteln.

Ich habe mir auch schon oft überlegt, ob ich wohl auch HB bin. Ich denke oftmals auch schneller wie die Leute um mich herum. Irgendwann mache ich auch mal einen Test....

Hier auch noch eine interessante Webseite: www.ehk.ch Vielleicht magst du Mitglied werden?
@Malaga
Deswegen ist es ja auch so wichtig, dass die Förderung WÄHREND der Schule stattfindet und nicht ausserhalb. Ich finde es unerhört, dass die Schule immer wieder auf dem anderen beharrt und trotz aller Erfahrung nicht versteht, dass das Kind eben ein Kind ist und Spiel, Freizeit und Ruhe braucht. Unsere Schule geht sehr gut damit um und spricht Dispense aus, andere Schulen im gleichen Dorf z.B. überhaupt nicht, als ob es ihnen wehtun würde.
Auch in der Schule, wo ich arbeite, hiess es «sie können das Kind ja dann zu xy schicken»… ich plädiere dann jeweils dafür, aber während der Schule und es dreht sich mir der Magen um, wenn es dann heisst «es verpasst Schulstoff» - ach was!

Betr. Test für Erwachsene… angeblich geht’s oft um Allgemeinwissen und nicht mehr so fest um Verarbeitungsprozesse wie bei den Kindern… deswegen können aber müssen die Tests nicht so aussagekräftig sein. Schade.

Für die «Bildungsgerechtigkeit» setze ich mich übr. auch ein, bin da auch Mitglied. Leider geht’s wirklich schleichend voran, ich staune, wie viele Eltern, die HB-Kinder haben und Probleme haben/hatten noch nicht die Mitgliedschaft abgeschlossen haben, obwohl sie Bescheid wissen über die Initiative. Wer denn, wenn nicht sie?!
naura hat geschrieben: So 10. Okt 2021, 23:20 @kleine Kinder
Bei uns war es so, dass Meite schon früh ungewöhnlich starkes Interesse an Schreiben, Lesen und Rechnen etc. hatte. Sie wurde daher auch sozial/emotional eher unreif mit 4 in den Kindsgi/6 in die Schule geschickt von mir. Im Nachhinein weiss ich nicht ob es schlau war. Sie kam mit den Gspänli nicht zurecht. Schulisch musste sie sich nie anstrengen, aber der Rest hat sie ausreichend beschäftigt, so dass ich eigentlich froh war wie es war. Sie hat sich während der Primarschulzeit privat zusätzlich mit Projekten etc. beschäftigt und hatte immer grosse Freude an individuellen Arbeiten.

@meine Tochter
Bei ihr wurde eine Abklärung gemacht in der 5. Klasse. Am meisten Leidensdruck kam bei ihr durch die sozialen Probleme.
Sie ist dann aber durchs Raster gefallen, weil sie durch eine Geschichte in der früheren Kindheit (chronische Paukenergüsse) die auditive Wahrnehmung nicht gut ausgeprägt hat, in diesem Bereich war sie im unteren Durchschnitt. Alle anderen Bereich waren über/teils weit über Durchschnitt. Aber wegen diesem einen Punkt, hat sie dann auch an keinem Förderprogramm teilnehmen können.
Ihre auditive Wahrnehmung wird nun je tiefer/breiter der Stoff ist (9. Klasse) desto mehr zu einem Thema. Seit Schulbeginn nimmt sie wenig vom Unterricht mit, eigentlich könnte sie sich den grösstenteils sparen.. sie ist immer noch gut in der Schule, muss aber dafür halt viel nacharbeiten von dem, was sie wiedermal nicht so richtig mitgekriegt hat im Unti. Eine ADHS-Abklärung steht auch immer noch im Raum, es passt aber auch bei ihr wieder vieles nicht..
Liebe naura

Die Frage zur Unreife im Kiga/Schule kannst du, musst du dir aber nicht stellen. HB-Kinder sind in der Regel nicht unreifer, aber wenn sie so früh «nur» von Gleichaltrigen umgeben sind, die ihnen auf kognitiver Ebene nicht gewachsen sind, ist es schwierig, sich angemessen zu entwickeln. Hätte sie ein Jahr länger gewartet mit der Einschulung wäre es möglicherweise schlimmer gewesen, nicht besser, wer weiss…

Zur Abklärung:
Erfahrene PsychologInnen wissen, dass sie auch auf Lebensumstände, aktuelle Situation etc. achten müssen und beziehen dies bei der Auswertung mit bei. Zudem haben Fachleute weltweit herausgefunden, dass die letzten beiden Teile des WISC-Tests nicht direkt mit einer hohen intellektuellen Begabung zusammenhängen müssen (aber können), im Gegenteil, viele HB-Menschen schneiden in diesen beiden Bereichen entweder auffällig tief (tw. Sogar im Behindertenbereich) ab oder auffällig tiefer als in den ersten 3 Bereichen. Diese beiden Bereiche sind nämlich intellektuell nicht so fordern und da hängen die HBs oft einfach ab. Mittlerweile wird im WISC-V-Handbuch darauf aufmerksam gemacht und empfohlen ab einem Gesamt-IQ von 120 den sogenannten Afi-Wert ausrechnen zu lassen (Nur die 3 ersten Werte, die 2 letzten werden weggelassen). Und das gilt dann offiziell als hb, ich staune wie viele «Fachleute» das so nicht wissen und auch nicht handhaben. Schade, dann so hätte deine Tochter Anrecht auf Förderung gehabt.
Sternli05 hat geschrieben: Mo 11. Okt 2021, 07:20 Ich habe kein HB Kind, unser Autist hat einfach eine Nischen Begabung. Es ist sehr interessant was ihr schreibt.

Gibt es keine Schulen für HB Kinder in denen sie individuellen Unterricht erhalten? So wie es Schulen für „Problem Kinder “ gibt? Im Prinzip sind doch HB Kinder an einer „normalen“ Schule auch am falschen Platz. Sie würden sich im Schulumfeld mit anderen HB vielleicht auch sozial leichter tun und sich nicht dauernd anders fühlen. Das hat mich gerade bewegt und ich kann es nachvollziehen.
Als unser Sohn in die spezielle Schule kam war das eine Aussage von ihm, jetzt ist er nicht mehr anders.
Doch dooooooch, es gibt so vieles für Leute, die es sich leisten können 😉
In St. Gallen hats seit diesem Sommer eine Schule, an der ausschliesslich HB-Kinder zugelassen sind.
Labskaus hat geschrieben: Di 12. Okt 2021, 16:40 Ich weiss nicht, ob mein Mann und/oder ich hb sind. Wir wurden beide nie getestet, sind aber definitiv überdurchschnittlich Intelligent und wahrscheinlich mindestens im mathematischen Bereich begabt. Unsere Tochter ist jetzt 3 3/4 und ist kognitiv auch viel weiter als ihre KiTa Freunde. Ich finde es sehr schade, wenn ich hier und an anderen Orten lese, wie sehr ihr selbst oder eure Kinder gelitten haben bzw. noch leiden müssen. Es macht mir auch etwas Angst, wenn ich an die Zukunft unserer Tochter denke.
Sorgen machen musst du dir nun nicht, im Gegenteil, je mehr du weisst, desto besser und schneller kannst du dir später Hilfe und Beratung holen und tappst nicht in die üblichen Fallen. Mir «erschreckt» die frühe Förderung bei euch in der KiTa etwas… also eigentlich finde ich es absolut wunderbar, bloss hoffe ich, dass ihr dann auch einen Kindergarten und eine Schule habt, die da anknüpfen kann.

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naura
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Re: Erfahrungen mit kleinen Kindern mit (V.a.) HB, Mamis mit HB

Beitrag von naura »

@ Drag-Ulj
Danke für deine Zeilen. Wir waren damals „nur“ beim SPD und ich habe es insgesamt nicht so kompetent gefunden.. jetzt wo du das schreibst wird mir bewusst, dass er das hätte checken müssen. Denn sein Fazit war am Ende, dass die sozialen Probleme davon kommen, dass sie nicht altersgerechte Interessen/Ideale etc. hat/vertritt. Ich spreche das auf jeden Fall bei der neuen Therapeutin, die wir jetzt dann haben mal an. Evt.könnte man da nochmals über die Bücher und es würde auch in anderen Bereichen helfen. Die Pubertät hat bei Meite schon ziemlich eingeschlagen und Schule ist leider inzwischen für sie immer anstrengender..
mit Meite (07)
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Re: Erfahrungen mit kleinen Kindern mit (V.a.) HB, Mamis mit HB

Beitrag von AnnaMama »

Jetzt wage ich den Einstieg hier auch noch ... ihr habt schon so viel geschrieben, dass ich fast nicht weiss wo anknüpfen.

Kurz zu uns:
Wir haben drei Kinder (17, 15, 12) wovon zwei abgeklärt sind und eines nicht. Ich könnte mir gut vorstellen, dass unsere Tochter auch HB ist, aber sie möchte es selber gar nicht wissen und es gibt auch keinen Grund für eine Abklärung (mein Gwunder ist jedenfalls keiner :lol: ).

@crookshanks
Mir fiel es nicht sonderlich auf, dass unsere Kinder als Kleinkinder weiter waren als andere ... das waren sie aber bestimmt. Sie waren einfach wie sie sind und wir haben sie dort abgeholt wo sie standen. Schon früh interessierten sich alle drei für Buchstaben und Zahlen. Ich stellte ihnen einfach immer Material zur Verfügung damit sie ihren Wissensdurst stillen konnten und beantwortete die 1000 Fragen, die sie immer stellten. Meine Schwägerin meinte immer wieder, dass wir doch unsere Kinder abklären lassen sollen, wir fanden das aber nicht nötig. Sie konnten sich ja auch ohne IQ-Test in ihrem Tempo entwickeln.

Alle drei besuchten eine Singgruppe und die jüngeren Beiden auch noch die Spielgruppe. Ob wir Eltern HB sind wissen wir nicht, ich bins eher nicht und GG eher schon :lol: .
Heute würde ich nur eines anders machen und das wäre die Kinder früher abklären lassen. Wir haben gerade beim Ältesten zu lange gewartet. Ihm hätte es sehr gut getan, wenn er in der Schule mehr gefordert worden wäre.

@Unreife
Die Kindergärtnerin von unserem Ältesten hätte ihn wegen der Reife gerne noch ein Jahr im Kindergarten behalten. Bei uns gab es damals nur den 1-Jahreskindergarten. Als sie aber erfahren hat, dass er bereits lesen und ein bisschen rechnen kann war für sie der Fall klar, dass er in die Schule gehört. Er war (und ist wohl auch heute noch) in grösseren Gruppen sehr zurückhaltend und zeigte nicht was er konnte. Die Kindergärtnerin konnte ihn nicht lesen und sie ist sehr erfahren und aufmerksam (ich arbeite seit ein paar Jahren mit ihr zusammen). Ein Jahr mehr Kindergarten hätte ihm bezüglich dem Sozialverhalten sicher nichts gebracht. Im Nachhinein muss ich sagen, dass es ihm wahrscheinlich sogar gut getan hätte, wenn er eine Klasse übersprungen hätte.

Aber alles "hätte" und "wäre" nützt uns jetzt auch nichts mehr. Er ist 17 Jahre alt und im letzten Gymijahr. Die letzten Primarschuljahre waren sehr schwierig für ihn, es hat nichts gepasst; er kam mit den Lehrerinnen nicht zurecht, war unterfordert und hatte keine Freunde in der Schule. Wir liessen ihn in dieser Zeit abklären weil wir einfach wissen wollten wo er steht ... gebracht hat es für die Schule nichts, die ganze Situation war schon zu verfahren. Heute würde ich viel früher reagieren, aber wir waren damals der Meinung, dass wir unsere Kinder nicht abklären müssen so lange es ihnen wohl ist. Als es ihm dann nicht mehr wohl war, war es zu spät. Im Gymi ging es ihm wieder gut, er fand Anschluss, die Freude an der Schule wurde aber nicht mehr geweckt und er war eher ein Minderleister und ist sehr minimalistisch unterwegs.

Bei unserem Jüngsten fiel schon sehr früh auf, dass er weiter ist als andere Kinder. Als er etwa drei Jahre alt war sagte er immer wenn er nach seinem Alter gefragt wurde, dass er fünf ist (ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er sich älter gefühlt hat). Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat musste das durchgezogen werden. Mit 4 Jahren hat er beschlossen, dass er Geige spielen möchte. Wir erklärten ihm, dass er in der 2. Klasse mit einem Instrument beginnen könne. Er liess nicht locker bis wir die Geige gemietet und den Unterricht organisiert haben. Er spielte dann vier Jahre und wechselte nachher aufs Akkordeon.

Er ist schon sehr früh wegen seiner grossen Ausdauer aufgefallen. Als er 7 Jahre alt war hat er Stop Motion Filme gemacht. Er konnte locker 7 Stunden am Stück fotografieren. Heute ist es der RubiksCube, der ihn in den Bann zieht. Jede freie Minute hat er ihn in der Hand.

Er war im ersten 2-Jahreskindergarten-Jahrgang ... wir waren froh, dass er schon früher in den Kindergarten gehen durfte als seine Geschwister. Nach einem Jahr wäre er eigentlich schulreif gewesen, er war damals knapp 5 Jahre alt. Die Kindergärtnerin wollte ihn aber wegen dem emotionalen Bereich noch ein Jahr im Kindergarten behalten. Sie förderte ihn sehr gut und er konnte viele Projekte durchziehen. Aus diesem Grund stimmten wir auch zu. Da sie wusste, dass im Schulhaus unserer Kinder nicht viel Förderung stattfand schlug sie uns vor, dass er die 1. Klasse überspringen könnte. Sie fädelte dies ohne Abklärung ein und das war eine sehr gute Entscheidung. Er wechselte im Mai vom Kindergarten in die 1. Klasse und zog dann mit dieser Klasse weiter.

Bis Mitte 4. Klasse ging es gut, er bekam ab und zu fordernde Aufgaben, viel an Förderung war aber in der heterogenen Klasse nicht möglich. Später machte sich die Langweile wieder bemerkbar und er ging immer weniger gerne in die Schule. Das war für uns der Zeitpunkt für eine Abklärung. Wir holten die Lehrerin mit ins Boot (finde ich sehr wichtig!) und liessen ihn beim SPD abklären. Er befindet sich auch im Höchstbegabtenbereich. Mich erstaunte das sehr hohe Resultat nicht. Die Schulpsychologin leitete gleich ein Pullout in einer Privatschule in die Wege und seine neuen Lehrerinnen in der 5. und 6. Klasse waren einfach top! Die Hauptlehrerin las sich ins Thema ein und war sehr offen was seine Förderung anging. Wir hatten mehrere Gespräche mit den beiden Lehrerinnen und der Schulpsychologin. Er durfte viel vom Stoff weglassen und an eigenen Projekten arbeiten. In der Mathe arbeitete er mit dem Thymio-Roboter und in einer Deutschlektion holte er selbständig den wegen des Pullouts verpassten Französisch-Stoff nach.
Sozial hatte er in der Schule absolut keine Probleme. Er kam mit den meisten MitschülerInnen gut aus und konnte problemlos sein Ding durchziehen und wurde deswegen nicht geplagt. Ich habe ihn mal erlebt als er an seiner Broschüre zum Duodezimalsystem schrieb während die anderen Kinder draussen miteinander spielten. Das lief einfach so nebeneinander her und niemand machte irgend eine dumme Bemerkung. Später kam noch ein anderer HB-Junge in seine Klasse und das fand er natürlich ganz toll.
Er ist nun auch im Gymi und hätte eigentlich ein vom Kanton bezahltes Mentoring "zu gut", dieses möchte er aber nicht in Anspruch nehmen. Ich denke er möchte auch nicht mehr ein Sonderzügli fahren. Er sagt immer, dass der Stoff genug anspruchsvoll sei. Neu gibt es im Gymi ein Begabtenförderungsprogramm, im Untergymi startet es aber erst im zweiten Semester. Mich nimmt es wunder ob er nominiert wird (die Schule weiss von seiner Höchstbegabung) ... er möchte aber gar nicht daran teilnehmen :lol: .

@Förderung während der Schule
Bei uns war es spannend am Auswertungsgespräch mit der SP. Der IF-Lehrer schlug jenste Möglichkeiten vor was unser Sohn in der Freizeit tun könnte. Irgendwann sagte die Schulpsychologin, dass die Freizeit sehr gut abgedeckt sei und wir jetzt schauen müssen wie er in der Schule gefördert werden kann. Glücklicherweise kam dann eh der Lehrewechsel ... mit diesen beiden Lehrpersonen wäre es wohl schwierig geworden. Ich fand es aber toll, dass sie uns ans Gespräch begleitet haben. Sie haben viel gelernt :wink: .

crookshanks
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Re: Erfahrungen mit kleinen Kindern mit (V.a.) HB, Mamis mit HB

Beitrag von crookshanks »

Reichlich spät, aber trotzdem möchte ich mich nochmal melden, weil mir eure zahlreichen Antworten sehr viel gegeben haben.

@Sternli / Sonderschule: ich selber wäre damals gerne auf eine gegangen, ich habe mir das sehr gewünscht. Es scheiterte halt am Finanziellen. Ich denke, für die einen ist es genauso richtig, unter "ihresgleichen" zu sein, wie es für die andern falsch ist, quasi offiziell "nicht normal" zu sein.

@ petite souris: Oh, ich mache keinen LP einen Vorwurf. Das ist mir durchaus klar, dass es ein Ding der Unmöglichkeit ist, wirklich jedem einzelnen von 25 Kindern (oder wie vielen auch immer) gerecht zu werden. Die LP, die ich positiv in Erinnerung habe, waren auch nicht perfekt - konnten das aber zugeben und vor allem hat man ihnen angemerkt, dass sie sich ehrlich interessieren und Mühe geben. Das ist sehr, sehr viel Wert, auch wenn es für dich als LP vielleicht mehr frustrierend ist als sonst etwas.
Das ist eine echt schwierige Frage, was mir denn geholfen hätte. Retrospektiv betrachtet hätte ich wohl einfach sehr viel "du bist ok, so wie du bist" u.Ä. hören müssen. Ich hatte den Eindruck, mir wurde immer vermittelt, ich müsse ja alles sofort können, sprich ich müsse perfekt sein. Und gut war nie gut genug. Es wurde zu viel auf meine Leistungen geachtet, fand ich. Vielleicht hätte ein Fokus auf "Was machst du gern" und weniger auf "Was kannst du gut" schon einen Unterschied gemacht. Weil irgendwie die HB immer im Zusammenhang mit Schulischem und Leistung gesehen wurde, und ich mich oft darauf reduziert fühlte.
Wenn du mich damals gefragt hättest, hätte ich es dir schlicht nicht sagen können. Ich hätte wohl gesagt "einfach normal sein", aber keine Ahnung gehabt, was denn konkret.
Tut mir Leid, dass ich dir da nichts Praktischeres sagen kann!

@ Malaga: Von der Initiative habe ich noch nichts gehört. Da muss ich mich mal schlau machen.
Ich sehe das auch als grosse Schwierigkeit, dass HB generell eher als Vorteil gesehen wird von Aussenstehenden und Probleme kleingeredet werden. Man könnte sich doch einfach darauf einigen, dass diese Kinder anders funktionieren. So wie z.B. Kinder mit ADHS oder ASS oder so auch. Und warum muss etwas, was für eine Person ein Problem ist, immer für andere auch als Problem betrachtet werden? Das ist erstens subjektiv und sollte bei mangelndem Verständnis zumindest einfach so stehengelassen werden.

@ Labskaus: Das klingt ja für den Moment toll mit der mega Förderung in der Kita. Aber wie geht das denn in der Schule weiter? Gibt es da auch eine "Sonderförderungsschule" oder so? Nicht, dass ich es schlecht reden will, ich stelle es mir nur grad schwierig vor, wenn man in so einer überdurchschnittlichen Bubble in die Kita geht und sich dann ins normale Schulsystem einfügen soll. Wo halt doch vermutlich die Mehrheit nicht so tickt wie man selbst. (aus der Perspektive des Kindes)

@ ausländerin: Genau, so ein Triggersatz. "Lass sie doch Kinder sein" - ja, gopfridstutz, das heisst doch genau, sie sollen machen dürfen, was sie wollen, was ihnen Spass macht, und es soll nicht schlechtgeredet werden, nur weil es als "zu erwachsen", "zu unpassend", "nicht altersgerecht" beurteilt wird. Von irgendwelchen halbschlauen Idioten, die einfach keine Ahnung, aber eine grosse Klappe haben. Das macht mich so wütend. Wenn unser Kind nun Buchstaben und Zahlen lernen will, dann mache ich das mit ihm. Und wenn es das nächste Woche nicht mehr will, ist das genauso ok und der Kommentar "ah siehst du, doch nicht so schlau, war doch noch nicht an der Zeit", der dann von solchen Leuten bestimmt folgt, ist genauso vorprogrammiert wie daneben...

@ AnnaMama: Danke für deine Erfahrungen. Das ist genau der Spagat, den ich so schwierig finde. Einerseits früh genug abklären, bevor zu viel vermurkst ist, aber andererseits graut mir vor dem Schubladisieren. Wir haben auch schon einiges an "Kleinkindprogramm", weil das einfach gebraucht wird. (Aber eben, da kommt auch viel, "lass sie doch Kinder sein" etc.)

Wir werden nun mal eine Entwicklungsabklärung machen lassen, damit wir vielleicht wissen, ob es wirklich in die Richtung HB geht und wie wir unserem Kind vielleicht besser helfen können. Dass das normale Programm nach den Herbstferien nun wieder läuft, hilft schon mal sehr. Und wenn es ab und zu mit wesentlich Älteren spielen darf, diese von sich aus zu ihm kommen, freut es sich wahnsinnig und zehrt tagelang davon. Das ist schon mal schön zu sehen. Und eben, den Rest mal abwarten...

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